Tierwohl:Glückliche Hühner

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Illustration aus Barbara Sandri, Francesco Giubbilini, Camilla Pintonato: Ich wollt’ ich wär ein Huhn (Foto: N/A)

Fünf Bücher erzählen über die Nutztierhaltung auf dem Bauernhof und in Großbetrieben. Im Mittelpunkt steht das Huhn.

Von Marlene Zöhrer

Das Haushuhn - gerne auch als Miethuhn zum Ausprobieren - erfreut sich stetig wachsender Popularität. Die Haltung von Hühnern schafft dabei nicht nur frische Frühstückseier, sondern offenbar auch ein Gefühl von Naturverbundenheit, das die Industrialisierung der Nahrungsmittelproduktion nicht mehr zulässt.

Von der Liebe zum Huhn und der Faszination, die vom intelligenten Federvieh ausgeht, zeugt auch das visuell ausgesprochen ansprechende und hochwertig ausgestattete Kindersachbuch "Ich wollt', ich wär ein Huhn" von Barbara Sandri und Francesco Giubbilini, mit Illustrationen von Camilla Pintonato (Kleine Gestalten, 19,90 Euro, ab 7 Jahre). Darin werden nicht nur Faktenwissen zu Körperbau, Fortpflanzung, Eiern, erstaunlichen Fähigkeiten oder Hühnerrassen übersichtlich aufbereitet, sondern auch Informationen zur Kulturgeschichte des Huhns und zur Hühnerhaltung verständlich vermittelt. Dass Hühnerstall und Auslauf (inklusive Aschebad, Schaukel, Unterstand und Fuchs-Schutzzaun) den Hühnern hier artgerechte Lebensbedingungen bieten, versteht sich. Schließlich ist das Haushuhn der klassischen Rolle als Nutztier längst entwachsen.

Dabei ist das Huhn in erster Linie eben genau das: Nutztier, Eier- oder Fleischlieferant. Davon - also vom Dasein der Legehennen und Masthühner - erfahren wir bei den bekennenden Hühnerliebhabern Barbara Sandri und Francesco Giubbilini nichts. Wohl aber in anderen Sachbüchern, die das Leben der Nutztiere unter unterschiedlichen Vorzeichen in den Blick nehmen. So etwa in "Tiere haben Rechte. Wir fordern Respekt!" von Ola Woldańska-Płocińska (Beltz & Gelberg, 16,95 Euro, ab 9 Jahre). In einem Zusammenspiel aus kurzen (bisweilen leider stark verknappten oder einseitigen) Texten und schwungvoll gemalten Bildern, die ihren Reiz zum Teil aus der durchaus humorvollen Überzeichnung der Sachverhalte ziehen, tritt es für eine Meinungsbildung im Sinne der Tierrechte ein und prangert Missstände im Umgang mit Haus-, Nutz- und Wildtieren an.

Ein differenziertes Bild der Nutztierhaltung von Schwein, Rind, Huhn und Co. zeichnen dafür gleich drei Neuerscheinungen aus dem Jahr 2020: Lena Zeise stellt in ihrem Sachbilderbuch "Das wahre Leben der Bauernhoftiere" (Klett Kinderbuch, 16 Euro, ab 7 Jahre) - das durch die fotorealistischen Bilder beeindruckt - industrielle und ökologische Landwirtschaft gegenüber. Ziel ist dabei, weder zu schockieren, noch Betriebe, die Konsumentenwünsche bedienen, an den Pranger zu stellen. Vielmehr geht es darum, ein realistisches Bild vom Leben auf dem Bauernhof zu zeichnen. Denn gerade in der konventionellen Landwirtschaft sind die Bedingungen, unter denen Nutztiere gehalten werden, weit weg vom Bilderbuchidyll, das im Kinderbuch allzu gerne aufgetischt wird.

Auch Julia Dürr zieht mit frechem Strich und klarer Struktur Vergleiche, wenn sie die Frage ihres Buchtitels beantwortet: "Wo kommt unser Essen her?" (Beltz & Gelberg. 16,95 Euro. ab 6 Jahre). Auf je zwei Doppelseiten zeigt sie in detaillierten Bildfolgen, wie Milch, Brot, Fisch, Fleisch, Äpfel, Tomaten und Eier in kleinen und großen Betrieben produziert werden - wie es also beispielsweise auf dem Bauernhof und in einem Legehennenbetrieb zugeht - und welche Schritte zu durchlaufen sind, bis Lebensmittel erworben werden können.

Annette Maas und die Illustratorin Miro Poferl gehen mit ihrem "Mein weit gereister Erdbeerjoghurt" (arsEdition, 15 Euro, ab 10 Jahre) noch einen Schritt weiter und zeigen die Bedeutung unterschiedlicher Produktionsformen für Tiere, aber auch für Klima und Umwelt: "Geflügel aus Freilandhaltung und in Bio-Qualität ist nicht nur artgerecht, sondern auch umweltfreundlich."

Offen und sachlich unaufgeregt zeigen und benennen diese drei Sachbücher die Unterschiede in Tierhaltung und Lebensmittelproduktion. Wer hinschaut und die Argumente beider Produktionsformen gegeneinander abwägt, wird merken, dass das eigene Konsumverhalten einen Unterschied machen kann. Auch für das einzelne Huhn: Denn ein Bio-Huhn darf schlafen, scharren, im Sand baden und "auf dem Freigelände stehen ihm 4m2 zur Verfügung, ein Huhn in Massentierhaltung hat weniger Platz, als ein DIN-A4-Blatt groß ist." Eine klare Leseempfehlung für alle, die wissen wollen, wie glücklich die Henne, die ihr Frühstücksei gelegt hat, wirklich ist.

© SZ vom 11.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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