Thurn und Taxis:Der Schirmherr

Lesezeit: 2 min

Selbstverständnis und Lebenswelt des Hochadels: Die Fürsten von Thurn und Taxis wollten "... an allen alten Traditionen festhalten".

Von Rudolf Neumaier

Und selbst wenn er politisch so wirkungslos bleibt wie ein Ochs im Kuhstall: So ein Adeliger gereicht jeder Stadt zur Zierde, sofern er richtig reich ist und nobel genug übers öffentliche Parkett tänzelt. Regensburg gibt mit dem fürstlichen Haus Thurn und Taxis ein wunderbares Beispiel. Die einstigen kaiserlichen Prinzipalkommissare am Immerwährenden Reichstag und Postunternehmer übernahmen eine Art Schirmherrschaft in der Stadt, und die Regensburger dankten mit Devotion. Ausgerechnet die stolzen Regensburger, die über Jahrhunderte den bayerischen Wittelsbacher Fürsten die Stirn geboten hatten. Als Albert I. von Thurn und Taxis im Jahr 1890 seine Braut in die Stadt führte, feierte die Stadt, und sie trauerte, als er 1952 starb.

Dazwischen hatte sich einiges abgespielt: zwei Weltkriege, das Ende der Monarchie, ein demokratischer Versuch, der Nationalsozialismus und ein demokratischer Neuanfang. Der Historiker Fabian Fiederer hat das fürstliche Haus in dieser wechselvollen Zeit für seine Augsburger Dissertation unter die Lupe genommen. Der Titel "... an allen alten Traditionen festhalten" steht für das Selbstverständnis des Hochadels. Das Ergebnis der Studie fällt erwartungsgemäß aus: Was auch passierte, der Fürst war an einer "nachdrücklichen Wertkonstanz" interessiert, doch an die jeweils "neuen Zeitverhältnisse passte sich das Haus stets rasch an", schreibt Fiederer.

Lesenswert ist dieses Buch vor allem wegen vieler Detailbetrachtungen, die der Historiker an Hunderten Archivalien vorgenommen hat. Ausführungen zur Gebirgsjagd wertete er ebenso aus wie Akten zum Ankauf eines Motorwagens im Jahr 1902, das fürstliche Schmuckinventar, die Bestellung eines Krokodilleder-Reisesacks und Unterlagen zur Unterstützung der Schießabteilung des Regensburger Post-Sportvereins sowie des Fußballklubs Ratisbona. Schon damit ist viel gesagt über die illustre Familie derer von Thurn und Taxis und ihre Lebenswelt. Als Mäzen war Fürst Albert großzügig und vor Umstürzlern hatte er keine Angst. Als der Chef des Regensburger Theaters 1902 fragte, ob er Gerhart Hauptmanns "Weber" aufführen dürfe, das wegen "seiner sozialdemokratischen Handlung" vielerorts verboten sei, wurde das Stück ohne Einwand durchgewinkt.

Mitunter fand Fiederer Adelsklatsch, wie er die internationale Presse schon damals, im Januar 1929, in seinen Bann zog. Es war alles angerichtet für das Hochzeitsfest des Fürstensohnes Raphael Rainer mit seiner Braut Eulalia aus einem böhmischen Familienzweig. Wieder sollte es Regensburg mitbekommen, im Stadttheater war eine Festvorstellung angesetzt. Allerdings meldete sich die Braut kurzfristig krank. Ihrem Schwiegervater, dem Fürsten Albert, offenbarte sie sich: Sie liebe Raphael Rainer nicht. Die Verlobung wurde "in beiderseitigem Einverständnis wegen Mangel an Neigung" aufgehoben, wie Fiederer aus dem Hausarchiv zitiert. Nur fünf Monate später heiratete Eulalia einen Bruder Raphael Rainers, gefeiert wurde auf Schloss Taxis in Württemberg. Das Ansehen der Familie nahm dadurch keinen Schaden, immerhin.

Fabian Fiederer: "... an allen alten Traditionen festhalten". Lebenswelt und Selbstverständnis des Hochadels am Beispiel des Fürstenhauses Thurn und Taxis in der Zeit von Fürst Albert I. (1888 - 1952). Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2017. 440 Seiten, 44 Euro.

© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: