Theater:Zu Gast bei Kannibalen

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Nestroys "Häuptling Abendwind" am ETA-Hoffmann-Theater

Von Florian Welle, Bamberg

Schon kurz nach der Uraufführung 1862 wuchs Gras über Johann Nestroys "Häuptling Abendwind oder Das gräuliche Festmahl". Seitdem wurde der Einakter, der die hübsche Gattungsbezeichnung "Indianische Faschings-Burleske" trägt, eine Operette von Jacques Offenbach zum Vorbild hat und deshalb auch mit viel (Offenbach-)Musik aufwartet, alle Jubeljahre einmal ausgebuddelt. In letzter Zeit jedoch auffallend oft, wie in Dortmund, wo die Punkkapelle Die Kassierer Nestroys Satire noch eine Portion Anarchismus hinzufügten. Der Grund für die Wiederentdeckung: Es geht um Fressen und Gefressen-Werden und passt somit gut in unsere turbokapitalistischen Zeiten. Schon Nestroy spielte mit seinem Südsee-Personal auf die Großkopferten in der Heimat an, so zuwider waren ihm Chauvinismus, Nationalismus und Kolonialismus.

Um was geht's? Biberhahn der Heftige, Stammesoberhaupt der Papatutu, hat sich zum Besuch bei Abendwind dem Sanften, Häuptling der Groß-Lulu, angekündigt. Er will seinen Sohn, der sich von Europa aus in die Heimat aufgemacht hat, mit Abendwinds Tochter Atala verheiraten. Normalerweise wird bei solchen G2-Gipfeln groß getafelt, also mindestens ein Mensch verspeist, schließlich ist man zu Gast bei Kannibalen. Und so kommt der fremde Europäer, der angespült wurde, allen recht. Allen außer Atala, die sich in Arthur verknallt.

Doch Tradition ist Tradition, und so kommt es trotzdem zum großen Fressen. Doch eine Burleske wäre eben auch keine Burleske, wenn es nicht nach viel Verwechslung und Trickserei trotzdem noch zum Happy End käme. Also zur Hochzeit zwischen Atala und Arthur, von dem eigentlich alle angenommen haben, er wäre direkt in ihren Mägen gelandet.

Isabel Osthues inszeniert zum zweiten Mal in Bamberg. Vor zwei Jahren hat sie "Krähwinkel" nach August von Kotzebue als charmante Kleinbürgersatire mit Schlagermusik auf die Bühne gebracht. Musik kann sie also, und so singen alle Darsteller auch diesmal wieder mit mal mehr, mal weniger Verve jede Menge Songs von "Live and let die" über "Born to be wild" bis "Born in the USA". Offenbach aber ist rausgeflogen. Die Liedauswahl kommentiert als eine Art Nummernrevue das Geschehen, das hier weniger mit Südsee, dafür viel mit einem Wild-West-Duell zweier verfressener Cowboys zu tun hat. Abendwind wird von Stefan Hartmann gespielt, Biberhahn von Bertram Maxim Gärtner. Beide können ziemlich komisch sein, und da sie unter ihrer Cowboy-Kluft aufblasbare Fatsuits tragen, hopsen und kullern sie entzückend unbeholfen über die Bühne und haben so die Lacher schon auf ihrer Seite.

Doch Vorsicht! Häufig sind diese von einer Schärfe, dass man sich daran verschluckt. Wer mag, kann dies nämlich alles tagespolitisch deuten. Also auch an Donald Trump denken und daran, dass dieser das Pariser Klimaabkommen aufgekündigt hat, weshalb die Südseeinseln in ein paar Jahren als erste einfach untergehen werden. Neu ist bei Osthues auch die Rahmenhandlung, die uns die "Abendwind"-Geschichte zusätzlich als Show in der Show präsentiert. Durch den Abend mit Glitzervorhang (Bühne: Jeremias Böttcher) führen Katharina Brenner, die im Bademantel den "Engel der Gerechtigkeit" mimt. Und Corinna Pohlmann als lasziv gekleidete "Dame im Pelz", die an Leopold von Sacher-Masochs "Venus im Pelz" erinnert. Zum Schluss wird ein Sarg über die Bühne geschleift. "Häuptling Abendwind" als Totentanz? Das ist dann doch zu vordergründig. Zu gewollt. So als hätte Isabel Osthues vor allem eines versucht: Uns die Komödie mit Musik auf gar keinen Fall als leichte Kost zu servieren.

Häuptling Abendwind , von Johann Nestroy, Regie: Isabel Osthues, nä. Termine am Di. und Mi., 12. und 13. Dez., 20 Uhr, ETA-Hoffmann-Theater Bamberg

© SZ vom 12.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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