Theater:Sex und Sarkasmus

Lesezeit: 1 min

David Mamets Stück "Oleanna" im Undsofort

Von Petra Hallmayer, München

Stotternd sitzt Carol vor ihm, ein verhuschtes Dummchen im Blümchenrock, das jedes seiner Worte eifrig mitschreibt und keines versteht. Weil er kein autoritäres Arschloch sein will, versucht der Professor auf sie zu- und einzugehen. Er biedert sich ihr an, ignoriert Regeln und macht sie zum Publikum für eine arrogante Selbstinszenierung. Mit fatalen Folgen. Die Studentin reicht eine Beschwerde wegen Sexismus gegen John ein, klagt ihn schließlich - von einer feministischen Gruppe befeuert - der Vergewaltigung an und droht seine Existenz zu vernichten.

Als "Oleanna" 1992 uraufgeführt wurde, sahen amerikanische Feministinnen darin eine Kampfansage. David Mamets Stück, das unter der Regie von Daniela Grieser nun im Theater Undsofort zu sehen ist, löste zornige Debatten aus, deren Donnerhall damals fern schien. "Das Thema ist keines in Europa", meinte der SZ-Kritiker nach der Wiener "Oleanna"-Premiere. Das ist lange her. Mittlerweile gehören Sexismus-Diskussionen zum deutschen Alltag und ist der Begriff "Political Correctness" längst zu einem bequemen Schimpfwort geworden, um unbequeme Auseinandersetzungen abzuschmettern. Das sollte einen natürlich nicht dazu verleiten, seine Instrumentalisierung weiterhin kritisch zu hinterfragen. Um uns aber ernsthaft dazu herauszufordern, dafür zielt Mamets Text zu unverkennbar auf ein amerikanisches Publikum ab. Dennoch rührt "Oleanna" an wichtige Themen: den Missbrauch von Macht unter wechselnden ideologischen Vorzeichen, die Verlogenheit der scheinbaren Enthierarchisierung des Universitätsbetriebes.

Heiko Dietz führt überzeugend einen liberalen Professor vor, der sich in unsinnige Versuche verstrickt, seine soziale und intellektuelle Dominanz zu kaschieren, zwischen Selbstherrlichkeit und Hilflosigkeit schwankt. Mascha Müller zeichnet mit feiner Detailgenauigkeit eine zutiefst frustrierte Studentin, deren Fleiß und Strebsamkeit nicht belohnt werden. Dabei kehrt sie allerdings etwas zu sehr das Hascherl heraus, lässt zu wenig die in ihm schwelende Wut spürbar werden, durch die das brav devote Mädchen zur Rächerin mutiert.

Am stärksten ist der Abend, wenn er die Unmöglichkeit der Verständigung zwischen den beiden zeigt. Der verächtliche Sarkasmus, mit dem der arrivierte Akademiker auf ein System blickt, das ihm ein gutes Leben ermöglicht, ist Carol ebenso fremd wie ihm ihr ungebrochener Ernst. Nur einmal wird es kurz laut in Griesers angenehm zurückhaltender Inszenierung: In einem eindringlich verstörenden Moment rastet John aus, schlägt plötzlich brutal auf Carol ein und beschimpft sie unverhohlen sexistisch.

Oleanna - Ein Machtspiel ; Freitag, 18., Samstag, 19., Donnerstag, 24., Freitag 25. November, 20 Uhr, Theater Undsofort, Kurfürstenstraße 8

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: