Theater:Mein Gott, er leidet!

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Geraldine (Franziska Traub, links) unterstützt ihre Freundin Pat (Saskia Vesper) mit Biss und Humor. (Foto: Loredana La Rocca)

"Was dem einen recht ist" in der Komödie im Bayerischen Hof ist eine witzige Gesellschaftssatire

Von Sara Maria Behbehani, München

Wenn an einem Abend alle nur irgendwie möglichen, gesellschaftlich vorhandenen Klischees bedient werden, dann kann das entweder furchtbar langweilig werden oder aber wahnsinnig lustig. Für die von Pascal Breuer inszenierte Komödie im Bayerischen Hof "Was dem einen recht ist" gilt letzteres. Bissig und treffsicher werden im Laufe des Abends alle stereotypen Vorstellungen durchgespielt, die man sich von einer männlichen Midlife-Crisis nur so machen kann.

"Die Party ist jetzt vorbei. Packt eure Sachen und geht", brüllt Paul (Norbert Heckner) an seinem 60. Geburtstag seinen Gästen entgegen und verlässt seine Frau Pat (Saskia Vester) nach mehr als 30 Jahren Ehe. Und das - natürlich - für eine 29-Jährige, das als solches titulierte Flittchen. Jünger als die eigene Tochter Donna (Teresa Rizos), die wutentbrannt nicht verstehen kann, was in ihren Vater gefahren ist. Doch bei Männern ist eben immer etwas los. "Bis 35 in der Pubertät, danach grundlos bescheuert." Man muss sich mit ihnen abfinden, muss sie nehmen, wie sie sind. "Man darf sie nur nicht so lassen."

Nach Pauls Abgang bleibt Pat traurig zurück. In ihrer Einsamkeit steht ihr nur Franziska Traub, zweifellos die stärkste Schauspielerin an diesem Abend, in der Rolle der besten Freundin Geraldine zur Seite, die mit ihren urkomischen Kommentaren schnell die Sympathie der Zuschauer auf ihrer Seite hat. Als Paul nach ein paar Tagen zurückkommt - der Anzug ist Turnschuhen, Jeans und Lederjacke gewichen, schließlich ist er nun cool und hipp - gibt sie ihn mit Blick auf seinen Motorradhelm endgültig der Lächerlichkeit preis. "Na, sind die Stützräder schon ab?", fragt Geraldine ziemlich bissig. Saskia Vesters bester Moment ist es, als sie ihn mit Tränen in den Augen bittet: "Paul, bleib bei mir." Wieder ein Rollenklischee. Der Mann geht. Die Frau fleht und bettelt. Doch dieser Mann schert sich nicht um das Leiden seiner Frau. Stattdessen beschwert er sich auch noch über die Schuldgefühle, die sie in ihm hervorruft, ihr Weinen findet er ganz unerträglich und er sieht sich doch sehr im Recht, als er sie fragt, ob sie es ihm denn nicht leichter machen könnte.

Ja, was dem einen recht ist, ist dem anderen eben noch lange nicht recht. Als Pat plötzlich ein Verhältnis mit dem 35-jährigen Stephen (David Paryla) anfängt, bringt das den Geduldsfaden der Tochter endgültig zum Reißen. Dort, wo die Eltern ihren Spaß haben, tritt die jüngere Generation als Spielverderber auf den Plan. Eltern haben schließlich vernünftig zu sein. Doch daran denken die kein Stück.

Mit Stephen tritt auch Paul wieder auf den Plan, schließlich sei Pats Verhalten lächerlich und entwürdigend. Doch diesen Schuh gesellschaftlicher Doppelmoral zieht sich Pat zur Freude aller nicht an. "Was in deinem testosteronüberfluteten Gehirn lässt dich annehmen, dass der Hahn darf, aber die Henne nicht?", fragt sie und das Publikum jubelt.

Alter, Gewicht, politische Korrektheit, der Umgang mit Flüchtlingen, gesellschaftlicher Status und soziale Rollenbilder, das Fingernägel-Snapchat-Prosecco-Gequatsche der Jugend - alles wird in dieser Gesellschaftssatire von Donald R. Wilde vorgeführt, auch an Helen (Sina Bianca Hentschel), der, ja Moment, wie heißt es denn jetzt? Putze? Nein. Putzfrau? Putzhilfe? Reinigungsfachkraft vielleicht. Den Spaß, den die Schauspieler haben, sieht man ihnen jedenfalls an.

Schließlich verbrüdern sich Stephen und Paul, inzwischen beide von Pat sitzen gelassen. In ihrer Trauer haben sie sich gefunden. "Mein Gott, er leidet!", verteidigt der eine den anderen. Doch Pat hat einen Entschluss gefasst: Jetzt ist sie es, die geht. Und das Drama, das ihre Männer durch die Komödie hindurch veranstalten, tangiert sie nicht mehr. Zeit zu gehen. "Mein Taxi ist da."

Was dem einen recht ist , bis 22. April, Komödie im Bayerischen Hof, Promenadeplatz 6

© SZ vom 09.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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