Theater:Avatar im Plastikmüll

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Eine Kultur-Talk-Satire mitten im Bühnenverhau: Folkert Dücker und Antje Töpfer in dem Stück ":-OZ", das im Schwere Reiter gezeigt wird. (Foto: O-Team)

Mit dem 3D-Stück ":-OZ" schaut das Stuttgarter O-Team mal wieder in München vorbei

Von SABINE LEUCHT, München

Das in Stuttgart beheimatete "Team.Odradek" - kurz: "O-Team" - ist immer für eine Überraschung gut. Auch in München. 2007/08 bespielte das damals noch junge Kollektiv die ehemaligen Infineon-Büros und das alte SZ-Gebäude in der Sendlinger Straße. Als es gemeinsam mit dem Pathos die begehrte Doppelpass-Förderung des Bundes an Land ziehen konnte, setzte es mit einer Mischung aus Exhibitionismus, Selbstüberschätzung und frecher Okkupation historischer Figuren eine Party-Performance brutal in den Sand.

Beim Rodeo-Festival ließ sich das Team um Regisseur Samuel Hof in loser Anlehnung an Kafkas "Amerika"-Fragment Impressionen seiner Probenzeit im portugiesischen Sommer vom Musiker Nils Meisel rhythmisieren. Doch Schwamm über "Café Stefanie" und "Die Verschollenen"! Zuletzt sah man vor fast zwei Jahren bei einem München-Gastspiel der Truppe eine wundervoll dichte Gemengelage aus technik- und daseinsphilosophischen Heidegger-Sätzen und dem, was ein Modularsynthesizer mit den Geräuschen anstellt, die ganz normale, aber in ungewöhnlicher Weise beanspruchte Haushaltsgeräte von sich geben. "Lichtung", 2015 mit dem Kritikerpreis des Stuttgarter Theaterpreises bedacht, entwarf eine gewaltig tönende und staubende, aber fast wortlose Metapher auf alles, was im Leben beunruhigend ist - und auf den menschlichen Drang, diese Unruhe immer neu zu nähren.

Dafür, dass das heute und morgen im Schwere Reiter gastierende ":-OZ" ebenso gut werden könnte, spricht zweierlei: Auch hier zeigen Aufnahmen der Bühne wieder ein Riesenchaos, und wieder steht der unerschrockene Schauspieler Folkert Dücker gemeinsam mit Antje Töpfer auf der Bühne. Töpfer ist von Haus aus Figurenbauerin und Spielerin mit einem breiten künstlerischen Radius vom Kindertheater über Material-Installationen bis hin zu Soli mit feministischem Kern - und sowieso wild auf spartenübergreifende Kollaborationen. Für sie haben "Lichtung" und ":-OZ" gemeinsam, "dass das Bühnenbild selbst als Figur auftritt", wobei das vorwiegende Material dieses "3D-Plastik-Biohypermedia-Theaters" transformiert, animiert, gedruckt und zu temporären Gebäuden zusammengesetzt wird. "Es beginnt zu leben, indem ich es bewege, erscheint aber auch als eigenständiger Spielpartner." Der - ähnlich wie bei "Lichtung" - zugleich für etwas Größeres steht. Töpfer spielt die fiktive Künstlerin Dorothy, die Auskunft über ihre Arbeit mit Plastikmüll gibt: Eine Kultur-Talk-Satire, die den Kritikern bei der Uraufführung besonders gefiel. Daneben gibt es aber auch allerlei medial transformierte Körperbilder in diesem Stück, das die Spannung zwischen der analogen Realität des Theaters und der digitalen Welt der Simulation vermisst. Und Anklänge ans Musical gibt es auch.

":-OZ" ; Freitag und Samstag, 2. und 3. Februar, 20 Uhr, Schwere Reiter, Dachauer Str. 114

© SZ vom 02.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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