Theater:Alles im Blick

Lesezeit: 2 min

Das Stuttgarter "Citizen. Kane. Kollektiv" stellt sich mit "Girls Boys Love Cash" vor. (Foto: Alex Wunsch)

Unter dem Titel "Res Publica Europa" startet in München ein internationales Festival und Netzwerktreffen der freien Theaterszene

Von Sabine Reithmaier

Axel Tangerding ist drei Tage vor dem Beginn des Festivals richtig gut gelaunt. 600 Theaterleute kämen zum IETM, sagte er. "Langsam wird Wirklichkeit, worauf wir ein Jahr hingearbeitet haben." Hinter den vier Buchstaben verbirgt sich ein Netzwerktreffen der freien Theaterszene (International Network for Contemporary Performing Arts), das von diesem Donnerstag an in München stattfindet, organisiert von Tangerding, Leiter des Meta-Theaters Moosach, der auch einer der am besten vernetzten Theatermenschen dieser Stadt ist.

Man könnte ihm fast unterstellen, er lege es darauf an, das Programm möglichst sperrig wirken zu lassen. Für das zentrale Thema des internationalen Treffens - die Teilnehmer kommen aus fast allen europäischen Ländern, Kanada, Australien und Asien - hat er einen lateinischen Titel gewählt: "Res Publica Europa". "Europa ist unsere gemeinsame Sache", sagt Tangerding. Man wolle die vier Tage nutzen, um darüber zu diskutieren, wie darstellende Kunst die Zukunft mitgestalten kann, und Strategien für internationale Kulturarbeit entwickeln. Möglich, dass es auf manche Menschen im Zeitalter der digitalen Vernetzung fast anachronistisch wirke, auf persönliche Kontakte und derartige Treffen zu setzen. "Aber ein Gespräch während des Treffens kann eventuell ein Jahr lang E-Mail-Schreiben ersetzen", sagt Tangerding.

Langweilig wird es den Teilnehmern sicher nicht, dazu ist das Programm zu dicht. Impulsreferate, Workshops, Kurzpräsentationen - "es ist intensiv, aber es bleibt Zeit, um geplant oder spontan miteinander Kaffee zu trinken und über künftige Projekte zu reden", sagt der Organisator. Festivalstandort ist der Gasteig, aber die zehn öffentlichen Theaterproduktionen laufen in Pasinger Fabrik, Reaktorhalle, Schwere Reiter, Pathos, Lothringer 13 oder Hoch X. Alle zu sehen, ist nicht möglich, erschwerend kommt dazu, dass parallel das Festival "Politik im freien Theater" stattfindet.

Fürs IETM jedenfalls hat eine Jury Produktionen ausgewählt, die zu "Europa", "Partizipation" und "Zukunft" etwas zu sagen haben. Antonio Cerezo aus Berlin etwa, der mit seinem Papiertheater die Geschichte eines Mannes erzählt, dem plötzlich die Heimat abhanden kommt. Oder die zwei Performerinnen von "katze und krieg" (Köln), die testen, was unter "blindem Vertrauen" zu verstehen ist. Sie verbinden ihren Gästen die Augen und lassen sie Begegnungen erfahren. "Peng!Palast" (Schweiz) setzt sich kritisch mit der vermeintlichen Freiheit und Selbstbestimmung der Generation Y auseinander, das "Citizen. Kane. Kollektiv" (Stuttgart) bietet eine Performance für Jugendliche zum Thema Sexarbeit, während die drei Frauen von Barbis Ruder (Wien) sich mit gängigen Vorstellungen von Schönheit und Hässlichkeit auseinandersetzen. Insgesamt sind 16 Vorstellungen geplant. Tangerding knobelt mit sieben Mitarbeiterinnen gerade aus, wer sich wann welche Aufführung ansieht. Schließlich geht es bei einem Netzwerktreffen auch um gegenseitige Anerkennung. "Wäre mir furchtbar, wenn wir einen Künstler vergessen würden."

Öffentlich sind auch die geführten Stadtspaziergänge. Architekt Herbert Sternberg-Meyer spaziert durch nationalsozialistische und neue Architektur, die britische Regisseurin Olivia Furber wandelt am Auerbach entlang, und Martina Taubenberger, Leiterin der Whitebox, lotst durchs Werksviertel. Eröffnet wird das Festival vom Schriftsteller Robert Menasse und Ulrike Guero, Autorin des Buches "Warum Europa eine Republik werden muss". Öffentlich spricht Menasse tags darauf (2. 11., 18.30 Uhr) in der Akademie der Schönen Künste: Thema auch hier die Zukunft Europas, vorgestellt wird das "European Balcony Project". Diese künstlerische Intervention findet europaweit am 10. November um 16 Uhr statt. Dabei wird ein Manifest von Guérot, Menasse und Milo Rau verlesen, symbolisch die Europäische Republik ausgerufen.

Res Publica Europa IETM 2018 , Do., 1., bis So., 4. Nov., div. Orte, www.ietm2018munich.net

© SZ vom 30.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: