Teeny-Geschichte:Verfolgt von Kondomen

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Der Held und seine Freunde müssen sich nicht nur für die Schule mit Liebe und Fortpflanzung beschäftigen. Wunderbar schräge Pubertätsgeschichte.

Von Elisabeth Menzel

Von einer Geschichte mit dem Titel "Mein Vater, das Kondom und andere nicht ganz dichte Sachen" kann der Leser nichts pädagogisch Wertvolles erwarten, und auch die Tatsache, dass die Autorin Gudrun Skretting aus Norwegen kommt, dem kleinen Land mit seiner großartigen Kinderliteratur, verheißt eher eine heiter-respektlose Lektüre als eine bedeutungsvoll-tragische Geschichte.

Das Schicksal scheint es mit dem Helden Anton nicht gut zu meinen. So ist er der Kleinste in seiner Klasse, hat viel zu große Segelohren, und sein Vater, mit dem er seit dem Tod seiner Mutter zusammenlebt, ist als Vertreter für Ferienhaustoiletten auch nicht gerade geeignet, Anton in seiner Klasse aufzuwerten. Aber solange Anton Ine als beste Freundin und Ole als treuen Kumpel hat, läuft für ihn alles nicht schlecht. Seine Freundschaft mit Ine bekräftigt Anton fast täglich mit dem Ritual, über ein Brett zu balancieren, das die beiden vor Jahren zwischen zwei Bäume gelegt haben und immer weiter hinauf schieben, je älter sie werden. Und zu Ole geht Anton immer dann, wenn er Nestwärme samt Rosinenbrötchen braucht, denn davon gibt es jede Menge bei Oles liebevollen Eltern.

Doch dann teilt ihm sein Vater beim Reifenflicken beiläufig mit, dass Anton sozusagen ein Gummiunfall war. Ines Versuch ihn damit zu trösten, dass sie in einem Reagenzglas gezeugt wurde, kann ihn nicht wirklich trösten, und als er dann auch noch in Bio, zusammen mit Ole und Ine, ein Referat über Verhütung halten soll, fühlt er sich regelrecht verfolgt von Kondomen und anderen Peinlichkeiten. Um ihn abzulenken, hat Ine die Idee, er müsse für seinen Vater eine Frau finden. Da bietet sich doch der örtliche Strickverein an, findet Anton, was er bald bereuen wird, als die dicke Ulla sich seines Vaters bemächtigt und wie eine Klette an ihm zu hängen beginnt. Schockartig wird Anton klar, dass er bei diesem Unterfangen ganz vergessen hatte, an sich selbst zu denken, der er sich gar keine neue Mama wünscht, die aus ihm womöglich ein "handgestricktes Kind" machen wird. Dass sich sein Vater ganz ohne Antons Hilfe inzwischen längst auf Freiersfüßen befindet, ist da noch ein Geheimnis. Mit ihrem Debüt (von Gabriele Haefs mit viel Wortwitz ins Deutsche übertragen) zeigt Gudrun Skretting, dass sie die Gabe witziger Einfälle besitzt, wobei ihre Lust am Slapstick sie gelegentlich zu Szenen von grotesk überdrehtem Witz verführt, so zum Beispiel bei Vaters Werbeveranstaltung zum Thema Trockenklos vor falschem Publikum, oder bei Antons missglückter Flucht aus Ines Haus durchs zu enge Klofenster. Im Gegensatz dazu zeigt die zarte Liebesgeschichte, die sich nach einigen Hindernissen und Missverständnissen aus einer Kinderfreundschaft zwischen Anton und Ine entwickelt, und der Kummer, den Ines Eltern ihrer Tochter mit ihrer Trennung bereiten, wie gut sich Gudrun Skretting in pubertierende Jugendliche einfühlen kann.

Neben all den ernsten Kinderbüchern mit toten Müttern, hoch begabten Kindern und anderen Außenseitern, ist dies eine höchst erfrischende Lektüre für alle, die wissen, dass Pubertät für alle Beteiligten anstrengend, aber irgendwann auch wieder vorbei ist. (ab 12 Jahre)

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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