Taschenbücher für Kinder:Paradies und Hölle

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Das Buch "Vielleicht dürfen wir bleiben" handelt anrührend und glaubwürdig von einem Flüchtlingsjungen in Norwegen, der mit seiner Familie abgeschoben werden soll. "Die Tochter des Leuchtturmwärters" erzählt ein Abenteuer aus Kanada.

Von Hilde Elisabeth Menzel

Seit fünf Jahren lebt der elfjährige Albin in Norwegen, und er fühlt sich dort zu Hause. Doch nun soll er zusammen mit seiner Familie abgeschoben werden. Der Krieg in Bosnien und die dramatische Flucht nach der Erschießung seines Vaters vor den Augen seiner Familie haben sich tief ins Gedächtnis des Kindes gegraben. Eine Rückkehr nach Bosnien kann er sich nicht vorstellen, und kurz vor der Abschiebung versteckt er sich im Kofferraum eines fremden Autos, in dem die Mädchen Amanda und Lisa zu ihren Großeltern aufs Land fahren. Sie sind es, die ihn retten, und die Geschichte endet mit der kleinen Hoffnung, dass Albins Familie ein Bleiberecht bekommt. Eine anrührend und glaubwürdig geschriebene Geschichte, die zur Diskussion anregt. (ab 10 Jahre)

Ingeborg Kringeland Hald: Vielleicht dürfen wir bleiben. Aus dem Norwegischen von Maike Dörries. Carlsen Taschenbuch (1621), Hamburg 2017. 108 Seiten, 5,99 Euro.

Selten wurde in einem Jugendbuch das Nebeneinander von Paradies und Hölle so eindrucksvoll geschildert wie in dieser Geschichte aus Kanada, die mit ihrer klaren Sprache einen unwiderstehlichen Sog auf die Leser ausübt. Zu Beginn des Buches kommt die siebzehnjährige Krabbe, die Tochter des Leuchtturmwärters, vom Festland zurück, wohin sie vor drei Jahren von der kleinen Insel geflohen war, um ihr Kind zur Welt zu bringen. Zum ersten Mal lernt die kleine Tatiana ihre Großeltern kennen, und Krabbe hofft, die Umstände um den Tod ihres Bruders Alastair zu verstehen.

Als sie und der um ein Jahr ältere Alastair klein waren, erlebten sie die Insel vor West-Kanada als Paradies. Ihr Vater ist dort Leuchtturmwärter und verlässt die Insel nie. Ihre Mutter hatte sich in ihn verliebt, als sie ganz allein als junge Frau mit einem Kajak an der Küste unterwegs war und auf der Insel Station gemacht hatte. Doch als die Kinder heranwachsen, empfinden sie die Insel als Gefängnis und rebellieren gegen den strengen und sturen Vater, der sie nicht weglassen will und damit rechnet, dass Alastair sein Nachfolger wird. Dieser aber leidet unter einer Augenkrankheit und fürchtet, eines Tages zu erblinden. Er beobachtet die Buckelwale, studiert ihre Sprache und Gesänge und hofft, auf dem Festland zur Universität gehen zu können, um seine Studien dort fortzusetzen. Krabbe versteht ihn, doch seine fast inzestuöse Liebe zu ihr macht ihr zu schaffen. Als ein junger Mann, ähnlich wie einst die Mutter, auf der Insel landet, verbringt Krabbe eine Nacht mit ihm. Alastair sieht sie dabei und ist verzweifelt, weil er fürchtet, seine geliebte Schwester zu verlieren, aber er verrät sie nicht. Als sich jedoch herausstellt, dass Krabbe schwanger ist, kommt es zu einem Streit. Alastair verlässt die Insel mit einem Boot und kommt nicht mehr zurück. Erst als Krabbe bei ihrem Besuch seine Tagebücher findet, wird ihr die ganze Tragödie seiner letzten Jahre klar.

In wenigen, sehr eindringlichen Szenen berichtet der Autor vom Psychoterror innerhalb einer Familie, die von der Außenwelt isoliert lebt, und lässt in wunderbaren Bildern die nach außen hin paradiesische Welt der Leuchtturminsel lebendig werden. (ab 14 Jahre)

Iain Lawrence: Die Tochter des Leuchtturmwärters. Aus dem Englischen von Christoph Renfer. Freies Geistesleben Taschenbuch, Stuttgart 2017. 277 Seiten, 10 Euro.

© SZ vom 28.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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