Tanztheater Wuppertal:Kündigung der Intendantin unwirksam

Lesezeit: 2 min

Das Landgericht Düsseldorf hat entschieden: Adolphe Binder darf am Tanztheater Wuppertal bleiben. Es ist der vorläufige Endpunkt eines erbitterten Ringens um die weltberühmte Kompanie von Pina Bausch.

Von Dorion Weickmann

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat am Dienstag entschieden: Die im Juli 2018 erfolgte fristlose Kündigung der Intendantin des weltberühmten Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch (TTW), Adolphe Binder, ist unwirksam. Damit wurde ein Urteil des Wuppertaler Arbeitsgerichts bestätigt, das keinen der gegen Binder erhobenen Vorwürfe als Kündigungsgrund anerkannt hatte. Die Beschuldigungen betrafen in erster Linie die Vorlage eines angeblich mangelhaften Spielplans für die Saison 2018/19 und Binders Führungsstil. Eine Revision ist nicht zugelassen.

Der Richterspruch ist der vorläufige Endpunkt eines erbitterten Ringens um die Leitung des TTW. Vorläufig, weil die Zukunftsprobleme der Kompanie damit nicht gelöst sind. Im Herbst 2018, noch vor dem ersten Prozesstermin mit der geschassten Intendantin, hat der zuständige Stadtdirektor Johannes Slawig ein neues Führungsduo installiert. Seitdem leiten die Ex-Vizedirektorin des Bayerischen Staatsballetts, Bettina Wagner-Bergelt, und der Betriebswirt Roger Christmann die Truppe. Anfragen, ob sich das TTW auf eine Niederlage vor Gericht und eine Rückkehr Binders vorbereite, blieben zuletzt unbeantwortet. Aber Wagner-Bergelt ist eine kluge und krisenerfahrene Kuratorin, die gewiss alle Möglichkeiten der Zusammenarbeit sondieren wird. Für Binder ist das Urteil eine Genugtuung, weil Rehabilitierung ihrer Person. Ein Ausscheiden gegen Zahlung einer Abfindung hatte sie beharrlich abgelehnt.

Eine krachende Niederlage für die lokale Kulturpolitik

Das Düsseldorfer Urteil beschert der Wuppertaler Kulturpolitik eine krachende Niederlage. Noch 2017 wurde Binders Berufung an die TTW-Spitze gefeiert. Die erste Intendantin seit dem Tod der Choreografin Pina Bausch sollte einen innovativen Kurs steuern. Binder tat wie geheißen und setzte zwei Uraufführungen an. Rasch kam es zu Zerwürfnissen mit Teilen der Administration unter dem damaligen Geschäftsführer Dirk Hesse. Stadtdirektor Johannes Slawig engagierte eine fachfremde Mediatorin, deren Mission scheiterte. Daraufhin wurde Binders Kündigung vorbereitet. Und zwar am Beirat des TTW vorbei in einem Zirkel, der nicht mit dem Tanztheater, sondern mit dem geplanten Pina-Bausch-Zentrum befasst war - einem Prestigeobjekt, in das auch Bundesmittel fließen.

In diesem Rahmen wurde der PR-Berater Ulrich Bieger beauftragt, die Binder zur Last gelegten Verfehlungen im Vorfeld der Kündigung ausgewählten Pressevertretern mitzuteilen. Wie Bieger der SZ erklärte, trafen in dem Gremium in wechselnder Besetzung zusammen: Johannes Slawig, Kulturdezernent Matthias Nocke, TTW-Geschäftsführer Dirk Hesse, TTW-Prokurist Christoph Fries, die Mediatorin sowie der Vorstandsvorsitzende der Bausch Foundation, Salomon Bausch. Die gezielt gestreuten Indiskretionen trugen zur öffentlichen Eskalation des Konflikts bei - so sehr, dass die TTW-Geschäftsführung eine Strafanzeige gegen Unbekannt stellte. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Weil, wie die Staatsanwaltschaft Wuppertal der SZ mitteilte, "vieles darauf hindeutet, dass die Informationen entweder mit Billigung oder gar im Auftrag der Geschäftsleitung der Presse zugespielt worden sind". Sprich: Die TTW-Chefetage warf mit Nebelkerzen, um ihr eigenes Zutun zu vertuschen.

Die Vorgänge haben jetzt Oberbürgermeister Andreas Mucke auf den Plan gerufen, der eine interne Verwaltungsprüfung angeordnet hat. Derweil wird sich die TTW-Führung neu organisieren müssen. Sie hat es mit einem Ensemble zu tun, das nicht in der Lage ist, mit einer Stimme zu sprechen. Unter Pina Bauschs Patronat war das nicht nötig. Heute ist es überlebenswichtig. Sonst bleibt dieses Kollektiv ein Spielball der Politik - bis es in Ehren ergraut und komplett überflüssig ist. Die Werke der Tanztheater-Doyenne können auch andere Ensembles tanzen. Demnächst zum Beispiel "Orpheus und Eurydike" - in Dresden.

© SZ vom 21.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: