Tanztheater:Prototyp auf zwölf Beinen

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Tänzer über vierzig gelten im Profitanz als Senioren. Das neue Ensemble "Dance on" beweist mit seiner ersten Premiere in Hamburg, wie fragwürdig das ist. Das Projekt markiert einen neuen Trend.

Von Dorion Weickmann

Unter sogenannten Senioren stellte sich der Regisseur Rabih Mroué eine bestimmte Spezies vor: "Leute um die 70 mit weißen Haaren und vielen Falten." Was er vorfand, als er mit den Proben zu "Water between three hands" begann, war eine Überraschung: Im Studio erwarteten ihn drei Männer und drei Frauen - Tänzer zwischen 40 und 50. Im Profitanz gilt diese Altersklasse als "Senior", wird für gewöhnlich ausgemustert, zum Arbeitsamt geschickt, in sekundäre Ausbildungen oder drittklassige Tätigkeiten gesteckt. Mühevoll erworbenes Körper- und Bewegungswissen ist plötzlich totes Kapital, Auftrittserfahrung und Ausdrucksvermögen zählen nicht mehr. Was nicht nur wirtschaftlicher Blödsinn ist, sondern auch künstlerisch immer fragwürdiger wird. Denn der Tanz fällt durch die demografische Reifeprüfung, wenn er wie bisher das Image des notorischen Schönlings und Berufsjugendlichen hochhält. So sehen das jedenfalls Madeline Ritter und Riccarda Herre, die Rabih Mroué als Choreograf für ihr kürzlich gegründetes "Dance on"-Ensemble engagiert haben: für sechs exzellente Tänzer, die jenseits ihres offiziellen Verfallsdatums weitermachen wollen. Bis Ende 2017 ist das Projekt durch eine Patchwork-Finanzierung von Bund und Koproduzenten halbwegs gesichert.

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