Tanztheater:Hier und dort

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Münchens neuer Ballettchef Igor Zelensky wird mit einem Bein in Moskau bleiben - als "Berater", wie es aus dem Kunstministerium heißt. Dirigenten haben oft mehrere Posten, im Ballett ist das noch immer die Ausnahme.

Von Eva-Elisabeth Fischer

Igor Zelensky, Nachfolger von Ivan Liška als Ballettdirektor des Bayerischen Staatsballetts zur kommenden Spielzeit 2016/ 2017, wird nebenbei weiterhin das Ballett des Stanislawski- und Nemirowitsch Dantschenko-Musiktheaters in Moskau leiten. Das ist dem Newsletter des Bolschoi Balletts zu entnehmen. Die Ballettdirektion in Nowosibirsk wird er allerdings aufgeben. Toni Schmid, Ministerialdirigent im Kunstministerium und maßgeblich verantwortlich für die Bestallung Zelenskys, reagiert, konfrontiert mit dieser Nachricht, einigermaßen ungehalten. "Er bleibt dort als Berater", sagt Schmid und wiederholt es noch einmal zum Mitschreiben: "Berater." Zelenskys Begründung: Er habe die Kompanie schließlich aufgebaut. In der Chefetage des Staatsballetts schweigt man zur Causa. Bettina Wagner-Bergelt, stellvertretende Ballettdirektorin: "Ich kenne den Vertrag von Herrn Zelensky nicht."

Das Ballett der Bayerischen Staatsoper, wie es früher hieß, hat schon einmal zwei Jahre lang seinen Ballettdirektor teilen müssen. John Cranko blieb, als er 1961 die Leitung übernahm, gleichzeitig auch Ballettchef in Stuttgart. Das ist der Münchner Kompanie nicht gut bekommen.

Nun ist ein Berater etwas anderes als ein Ballettdirektor. Der Hauptunterschied für München liegt wohl in den damit verbundenen mehr oder weniger häufigen Abwesenheiten Zelenskys, worauf Toni Schmid noch ungehaltener reagiert: "Ach, immer diese Frage nach den Abwesenheiten . . ." Es sei ganz klar, dass München Zelenskys Hauptarbeitsplatz ist. "Er hat seinen Hauptwohnsitz für sich und seine Familie nach München verlegt. Er wird die meiste Zeit da sein", beschwichtigt er. Und außerdem seien die Wege ja machbar.

Merklich fröhlicher stimmt Schmid die Tatsache, dass Zelensky zurzeit in der Welt unterwegs sei, um Tänzer für München auszuwählen. Und das würden eben keineswegs nur Russen sein. Es heißt, er habe zwei Drittel der derzeitigen Kompanie verabschiedet, darunter die Erste Solistin Lucia Lacarra, eine renommierte Künstlerin, die allerdings die Vierzig überschritten hat. Die notwendigen Grausamkeiten müsse ein neuer Direktor gleich zu Anfang begehen, erklärt Schmid, "sonst passiert ja nichts mehr und es bleibt alles beim Alten". Solche Grausamkeiten habe er immer wieder erlebt, etwa beim Amtsantritt von Martin Kušej, der als neuer Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels erst einmal das Ensemble seines Vorgängers Dieter Dorn mit wenigen Ausnahmen abwickelte.

Ändern soll sich offenbar tunlichst alles bei Münchens großer Ballettkompanie. Nikolaus Bachler, Intendant der Bayerischen Staatsoper, wünscht sie sich glamouröser, als es unter Ivan Liška der Fall ist. Deshalb beförderte er das Engagement des ehemaligen russischen Startänzers - Zelensky war erster Solist beim Mariinski-Ballett in St. Petersburg von 1991 bis 2013. Bachler nimmt es als Opernmann selbstverständlich in Kauf, seine Wunschkandidaten nicht exklusiv ans Haus binden zu können. Dass namhafte Dirigenten mehrere Chefposten gleichzeitig innehaben, gehört heutzutage zum Berufsbild. Bei Ballettchefs ist das immer noch die Ausnahme. Kirill Petrenko, der Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, bewegt sich bereits Richtung Berlin, wo er zum Chefdirigenten der Philharmoniker gewählt wurde. Aber bei Igor Zelensky wird das natürlich nicht passieren. Er ist in Moskau ja nur "Berater".

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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