Tanz:Bloß kein Pathos!

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Paul Taylor in „Episodes“ mit dem New York City Ballet im Jahr 1960. (Foto: Carl van Vechten/AFP)

Zum Tod von Paul Taylor, einem der beweglichsten Choreografen der Nachkriegszeit. Martha Graham hatte ihn persönlich entdeckt. Die Bandbreite seiner mehr als 150 Werke reichte von Bach-Inspirationen bis zur Insekten-Parade.

Von Dorion Weickmann

Keine Geringere als Pina Bausch war mit von der Partie, als Paul Taylors Tanztruppe im Jahr 1960 zum ersten Mal auf Europatournee ging. Der Choreograf aus New York hatte die junge Stipendiatin der Juilliard School in eine Art Gottesanbeterin verwandelt. Was er angesichts ihrer Erscheinung - "traurig und sehr dünn" - höchst passend fand. Taylor selbst war kein Kind von Traurigkeit, sondern ein zupackender, pragmatischer Kreativkopf mit Hang zu exzentrischen Ideen.

1930 nahe Pittsburgh geboren, fiel der Knabe früh mit zwei Leidenschaften auf: dem Sammeln von Käfern und dem Zeichnen von Comic Strips. Das Studium der Bildenden Künste hängte er an den Nagel, als er mit 21 Jahren den Tanz für sich entdeckte, der seinem beweglichen Temperament mehr entgegenkam als die Geduldsproben vor leerer Leinwand. Er ließ sich von ehemaligen Tänzern der Ballets Russes ausbilden, stieg jedoch schnell auf modischere Stilarten um. Was sich als kluge Entscheidung erwies: "Den will ich!", erklärte Martha Graham, die berühmte Doyenne des Modern Dance, nachdem sie den hoch gewachsenen Eleven beim Training beobachtet hatte.

Taylor tanzte bei Graham und ihrem Antipoden, Merce Cunningham, bevor er 1954 als Choreograf debütierte. Sein Erstling "Jack and the Beanstalk" ging daneben. Aber drei Jahre später gelang ihm mit der provokativ minimalistischen Machart von "Seven Dances" der Durchbruch in die Avantgarde. Ästhetisch grenzte sich Taylor sowohl gegen Grahams Pathos wie gegen Cunninghams Zu-fallseffekte ab. Obwohl er allenfalls ansatzweise Geschichten erzählte, modellierte er lebenspralle Figuren und jagte sie mit Vorliebe durch aberwitzige Episoden. Die Bandbreite seiner Kunst war enorm, reichte von der lyrisch mit Bach grundierten "Auréole" (1962) über das boulevardesk heitere "Esplanade" (1975) bis zur Insekten-Parade von "Gossamer Gallants" (2011).

Fast hundertfünfzig Werke kamen zustande, das letzte feierte im März 2018 Premiere. Danach bestellte Paul Taylor sein Haus und setzteMichael Novak als Nachfolger an der Kompanie-Spitze ein. Im Alter von 88 Jahren ist Paul Taylor nun in New York gestorben. Der letzte Vordenker des Modern Dance hinterlässt ein ful-minantes Œuvre und eine großartige Truppe, die weitermacht.

© SZ vom 01.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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