Synchronisation:Neu York, Neu York

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Erich Kästner hatte schnell genug von ihr: Ein Vortrag im Filmmuseum in Frankfurt über die deutsche Filmsynchronisation.

Von Volker Breidecker

In einem Brief vom August 1951 schildert Erich Kästner die Qualen des Filmübersetzers: "... ich sitze seit Tagen über 'All about Eve' und muss sagen, dieses Silbenstechen ist ärger als Hundepflügen. Am schlimmsten sind die Labiale. Da muss wegen des Mundschlusses etwas Passendes gefunden werden. Klingt wie Hohn (...) Und das soll ich noch zwei Wochen weiter treiben. Abscheußlich!" (sic)

Dabei hatte der Dichter für die deutsche Fassung des Hollywoodklassikers von Joseph L. Mankiewicz einen Meilenstein der Filmsynchronisation geschaffen. Nur hatte ihn die Erarbeitung eines Synchronbuchs, dessen Dialoge dem Publikum die Illusion einer vollkommenen deutschen Neuschöpfung vermitteln sollten, statt zwei Wochen, viele Monate gekostet, so dass "Alles über Eva" mit Verspätung in die Kinos kam.

In fast geheimer Absprache werden die Transferprozesse des Synchronisierens ignoriert

Kästner, obwohl sein Name größer noch als jener des Regisseurs von den Kinoplakaten prangte, hatte da schon alle neuen Angebote ausgeschlagen: "Eben war ich im Gasteig, sah mir den Film 'The Four Poster" an. Molo wollte, dass ich ihn synchronisiere. Habe (...) abgelehnt: Zwei Schauspieler, ihre Ehegeschichte vom Hochzeitstag bis zum Tod, (...) das ist zu viel für die deutsche Sprache bei 2.800 Metern." In die hiesigen Kinos kam der Film unter dem Titel "Das Himmelbett": Horribile dictu, parlierten Lilli Palmer und Rex Harrison darin von Anfang bis zum bitteren Ende im Ehebett.

Lassen wir den unwilligen Kästner hier beiseite, denn es geschieht nur selten, dass die Filmindustrie ihre Produkte durch die kreative Mitwirkung von Schriftstellern literarisch veredelt. Wie aber kommt das seltsame Phänomen zustande, dass in den meisten deutschen Kinosälen immerzu deutsch und keine andere Sprache gesprochen wird, auch wenn sich auf der Leinwand Akteure aus mehreren Sprachen tummeln? Über die hochkomplexen "Transferprozesse beim Synchronisieren", die wie in geheimer Absprache von Publikum, Kritik und Medienwissenschaft so einmütig ignoriert werden, dass beinahe so etwas wie ein "Dunkelgewerbe" entstanden ist, darüber sprach im Frankfurter Filmmuseum der Filmwissenschaftler Nils Daniel Peiler. Zur exemplarischen Gegenüberstellung hatte er so gut wie "Alles über Eva" - in deutscher Synchronisation wie im Original - mitgebracht.

Ein paar Blüten aus dem Umwandlungsprozess: Aus New York ist Neu York, aus Donald Duck ist "Donald die Ente", aus dem "Who's who?" der "Künstler-Almanach", aus "seventeenish" ist "jugendlich", und aus "Honey" ist - auch wenn von Bette Davis im Original anzüglich mit dem süßen Saft aus bienenkorbartigen menschlichen Lagen gespielt wird - ein "Kleines" geworden: "Bitte anschnallen!" anstelle von "Fasten your seat-belts!" So harmlos ging es nicht immer zu, wenn im Deutschland der 50er-Jahre beim Synchronisieren alle Anspielungen auf die Nazi-Zeit auch aus einem Kultfilm wie "Casablanca" wegzensiert wurden.

Peiler brachte Licht in die verschwiegensten und dunkelsten Ecken einer Branche, die sonst unüberhörbar wie unübersehbar von Stars und Sternchen glänzt, während deren Parlando von nicht weniger professionellen Sprechern - zumeist ihrerseits erfahrene und prominente Schauspieler - in einem technisch komplizierten, sowie zeitaufwendigen Verfahren ins Deutsche übertragen werden - möglichst so kunstvoll, dass alle Mienen, Mund- und Lippenbewegungen der Leinwandakteure tatsächlich "stimmen".

© SZ vom 30.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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