Streit um Dieter Dorns Inszenierungskunst:Bei Nichtgefallen Geld zurück

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Inszeniert Dieter Dorn zu modern? Eine amerikanische Erbengemeinschaft glaubt das und spricht sogar von "vorsätzlichen und berechnenden Plänen, unsere Mäzenaten-Wünsche zu missachten." Sie hat darum die Metropolitan Opera in New York auf Rückgabe ihrer Spenden in Millionenhöhe verklagt.

ANDRIAN KREYE

Wie die texanische Zeitung Amarillo Globe News in ihrem Lokalteil zu Beginn der Woche meldete, verklagt die Stiftungsgemeinschaft der verstorbenen Ölerbin Sybil Harrington die Metropolitan Opera in New York auf die Rückgabe von fünf Millionen Spendendollar. Der bemerkenswerte Grund: Die Oper habe die Spendengelder der Mäzenin zweckentfremdet.

Mit Fell und Sandale wäre das sicher nicht passiert. Weil Dieter Dorn wohl gegen die ehernen Ausstattungsregeln der Oper verstieß, verlangt eine amerikanische Mäzenatin ihr Geld zurück. (Foto: SZ v. 26.07.2003)

In der Geschichte der Met war Sybil Harrington die mit Abstand großzügigste Spenderin. Von 1978 bis zu ihrem Tod im Jahr 1998 vermachte sie dem Opernhaus insgesamt 27 Millionen Dollar und legte einen Fonds an, der nach Schätzungen der Kläger heute mehr als 62 Millionen Dollar wert ist. Die Spenden waren jedoch nicht gerade bedingungslos. Sybil Harrington verlangte, dass ihr Geld ausschließlich für die Inszenierungen und Fernsehproduktionen "traditioneller großer Oper" verwendet werden dürfe. In den Spendenverträgen war sogar ausdrücklich formuliert, dass die Met "mindestens einmal pro Saison eine neue Produktion mit Werken von Komponisten wie Verdi, Puccini, Bizet, Wagner oder Strauss inszeniert, die so aufgeführt werden, dass sie den ursprünglichen Ideen der Komponisten und Librettisten gerecht werden."

Nun geht es in der Klage um fünf Millionen Dollar, die in Dieter Dorns Inszenierung von Wagners "Tristan und Isolde" aus dem Jahr 1999 investiert wurden. Allerdings heißt es in der Klageschrift, dass die Oper insgesamt 34 Millionen Dollar aus den Harrington-Spenden missbraucht habe, und zwar "auf eine Weise, die man nicht mehr als nach- oder fahrlässig bezeichnen kann, sondern die das Ergebnis vorsätzlicher und berechnender Pläne ist, Frau Harringtons Wünsche zu missachten." Der Rechtsstreit ist der bisherige Höhepunkt eines Kulturkampfes der schon seit Jahren zwischen der Mäzenin und der Met schwelte.

Auf der einen Seite steht das New Yorker Opernhaus, das als Kulturinstitution von Weltrang schon immer eine Balance zwischen traditionellem Publikumsgeschmack und dem Anspruch, neue Wege zu beschreiten, gerecht werden musste; auf der anderen Seite des Streits steht die Ölmilliardärin aus Amarillo im so genannten Texas Panhandle, dem nordwestlichen Zipfel zwischen Oklahoma und New Mexico.

Sybil Harrington war die Enkelin von Pionieren, die sich auf ihrem Weg nach Westen in Amarillo niedergelassen hatten, und die Ehefrau von Don Harrington, der sein Vermögen während des Ölbooms der späten zwanziger Jahre gemacht hatte. Im Nordwesten von Texas ist die Großzügigkeit der Harringtons Legende. Sie stifteten der abgelegenen Region eine Krebsklinik, ein College of Fine Arts and Humanities und ein Museum, das dem Pioniergeist des alten Westens gewidmet ist.

Sybil Harringtons große Liebe war jedoch die Oper, die sie vor Jahren in einem Interview mit der Illustrierten Town & Country beschrieb: "Da hat man doch alles - wunderschöne Bühnenbilder, großartige Kostüme, großartige Musik. Was will man mehr?" Die New York Times umschrieb den traditionellen Geschmack der Mäzenin 1998 in ihrem Nachruf mit dem Satz "Frau Harrington mochte ihre große Oper groß." Der Leiter der Met Joseph Volpe thematisierte seine Schwierigkeiten mit der resoluten Spenderin vor drei Jahren in einem Interview: "Sybil sagte immer: Ich gebe euch Geld, wenn ihr diesen oder jenen Regisseur anheuert. Wenn ihr allerdings den oder den Regisseur anheuert, gebe ich euch nichts." Im aktuellen Rechtsstreit gibt sich die Metropolitan Opera bisher noch bedeckt. Zur New York Times bemerkte Volpe diplomatisch: "Die Vorwürfe sind unberechtigt, und das werden wir vor Gericht auch beweisen. Sybil Harrington war ein hoch geschätztes Mitglied der Met-Familie und wir würden sicher niemals etwas tun, was ihr Vermächtnis entehren könnte."

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