Stefan Raab: "Wok WM":Die wahrscheinlich längste Reklame der Welt

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Stefan Raabs "Wok WM" wird wie ein Sportgroßereignis vermarktet. Nun läuft die Show als "Dauerwerbesendung".

Marc Felix Serrao

Die Antwort auf die Frage, was heute Spitzensport ist, fällt nicht leicht. Radrennfahrer dopen sich mit ihrem eigenen Blut, Schwimmerinnen sehen aus wie Gorillas im Badeanzug, und auf Pro Sieben schlittert an diesem Samstag unter anderem ein sehr korpulenter Mann namens "Jumbo Schreiner" in einer China-Pfanne eine Eisbahn hinab. Wenn er schnell genug ist, darf er sich danach Weltmeister nennen. WokWM heißt der Spaß, er läuft schon zum siebten Mal. Für den Sender ist die vierstündige Show von Stefan Raab erwartungsgemäß wieder "das Wintersportereignis des Jahres" - mit den "schnellsten China-Pfannen der Welt", den "mutigsten Promis des Landes" und der "heißesten Show im Eis". Für die Zuschauer ist sie dieses Mal noch etwas Anderes: eine Dauerwerbesendung.

Stefan Raab rodelt wieder und steigert damit die Werbeeinnahmen von Pro Sieben. (Foto: Foto: dpa)

Am 11. Dezember 2008 hat das Berliner Verwaltungsgericht entschieden, dass in den Wok WM-Ausgaben von 2006 und 2007 Schleichwerbung betrieben wurde. Damit gab das Gericht der Medienanstalt Berlin Brandenburg (MABB) recht. Die hatte gerügt, dass ProSieben vorgegaukelt habe, die Wok WM sei rein redaktionell gestaltet. Für die Einarbeitung der Werbung in die Show, argumentierte die MABB, fließe aber Geld - ein Großteil an den Sender. Und die Sponsoren seien nicht von irgendwem akquiriert worden, sondern vom Veranstalter der Show, der PS-Event-Agentur; der ProSiebenSat1 Media AG gehören zwei Drittel dieser Gesellschaft.

Raabs Wok WM gibt es seit 2003. Seit 2005 haben die Teams Sponsoren, erst zwei Jahre später hat die MABB darauf reagiert. Nachdem Pro Sieben erfolglos gegen die Beanstandung der Behörde geklagt hatte, entschied der Sender vor acht Wochen, die Wok WM als Dauerwerbesendung auszustrahlen. Als "gefährlichste Dauerwerbesendung der Welt".

Das klingt lustig. Aber am Bildschirmrand muss die ganze Show über nun gut sichtbar ein Wort stehen: Dauerwerbesendung. Die Show selbst soll das nicht beeinträchtigen. "Wir übertragen die Wok WM genau so, wie es der Zuschauer seit Jahren mag", behauptet Sendersprecher Christoph Körfer. "Wir haben keine ,Sonderwerbung' geplant", ergänzt Katja Plüm, Sprecherin der Produktionsfirma Brainpool. Ob das gut geht?

Als Dauerwerbesendung bezeichnen die Landesmedienanstalten TV-Produktionen, die im Wesentlichen dazu da sind, Produkte in einem redaktionellen Rahmen zu bewerben. Der Begriff entstand aus der Praxis heraus. Ende der 80er Jahre liefen Sendungen wie das Glücksrad an, ohne Werbehinweis. "Das hat schnell zu gehobenen Augenbrauen geführt", erinnert sich Ingeborg Zahrnt, die als Rechtsreferentin der MABB die Werbung der Privatsender überwacht. 1990 tauchte der Begriff "Dauerwerbesendung" in den Werberichtlinien auf, kurz darauf im Rundfunkstaatsvertrag.

Wird das Publikum in der WokWM noch das Sportereignis sehen, als das ProSieben es anpreist? Oder wird es durch den permanenten Werbehinweis erst merken, wie viel Reklame hinter dem lustigen Eis-Gerutsche steckt, in dem es kaum ein Bild ohne Markennamen gibt und die Mannschaften Merkur-Spielothek-Team heißen oder Team Kümmerling? Vielleicht erinnert der Hinweis am Bildrand die Zuschauer ja auch an Genre-Klassiker wie Der Preis ist heiß, die wohl nicht nur so wirkten, als hätten Werber das Drehbuch geschrieben ("die leckeren Erdnüsse sind gesalzen und wurden in einem schonenden Verfahren geröstet").

Es ist ein Experiment. Vielleich ist den Leuten der Hinweis egal, und der Marktanteil der Wok WM bleibt bei mehr als 20 Prozent in der jungen Zielgruppe. Vielleicht leidet aber auch das Image der Show und das von Raab. Für den 42-Jährigen, der als Krawallmacher im Musikkanal anfing und heute einer der einflussreichsten Fernsehkreativen des Landes ist, könnte schlimmstenfalls seine ganze Formatbatterie ins Wanken geraten. Sendersprecher Körfer sagt zwar, dass ProSieben jede Raab-Sondershow einzeln prüfen werde - "es ist nicht so, dass von nun an pauschal alle Sportevents Dauerwerbesendungen sind." Doch bei der MABB klingt das anders: "Die Wok-WM ist der Präzedenzfall", sagt Zahrnt. "Stefan Raabs andere Formate, wie Turmspringen, Stock Car Crash Challenge und Autoball-EM, haben wir zwar nicht explizit gerügt. Aber sie sind von der Entscheidung genauso betroffen."

Am Ende wird es eine Rechenaufgabe sein. Die Wok WM war bisher eine Geldmaschine, mit Sponsoren, die für ihren exklusiven Primetime-Auftritt Premiumpreise zahlten, und mit dem üblichen Zusatzgeschäft vom Wok WM Snow Wok bis zum T-Shirt Woksenluder. Aber weil die Show jetzt Dauerwerbesendung heißt, fällt woanders die Werbung weg.

Stündlich darf ProSieben zwölf Minuten Reklame zeigen, macht 288 Minuten täglich. Raabs Show dauert 225 Minuten und verbraucht genau soviel Werbezeit. Bleibt eine Werbestunde übrig. Laut Körfer soll diese erst von 15 Uhr an geschaltet werden. Die freie Zeit, die durch wegfallende Spots entsteht, werde mit drei zusätzliche Serienfolgen gefüllt. Früh (und sehr spät) bringt TV-Werbung nicht viel Geld, zumal sich die Privatsender in der aktuellen Werbekrise eine Rabattschlacht liefern. Wieviel Werbegeld ProSieben verliert, weil der Sender zu Raabs Konzept steht, lässt sich kaum präzisieren. Branchenexperten gehen davon aus, dass der Privatsender an diesem Tag ein Fünftel seiner Werbeeinnahmen einbüßt, "mindestens".

Damit die MABB nichts verpasst, wird sie diese WokWM mitschneiden, sagt Referentin Zahrnt. Sie habe schon Fälle erlebt, wo "aus Versehen" eine weiße Schrift auf hellgrauem Grund auf die Dauerwerbesendung hingewiesen habe: "Die Versuchung, es nicht so deutlich zu kennzeichnen, ist sehr groß."

Wok WM 2009, Pro Sieben, Samstag, 20.15 Uhr.

© SZ vom 07./08.03.2009/irup - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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