Sprach-Kolumne "Phrasenmäher":"Am Ende des Tages"

Diese Wendung, sonst eher im Wirtschaftsleben beliebt, ist zunehmend auch auf der politischen Bühne zu hören.

Von Lothar Müller

Die meisten Redewendungen sind Nebendarsteller auf der Bühne der Öffentlichkeit. Sie drängeln und schubsen ihre Nachbarn beiseite, um Auftritte zu ergattern. Sehr nach vorne geschoben hat sich in jüngster Zeit die Wendung "am Ende des Tages". Lange eine eher unauffällige Mitläuferin im Pulk von "letztendlich", "alles in allem", "unter dem Strich" und weiteren Rivalen, verdankt sie ihren Aufstieg der zunehmenden Instabilität der politischen Lage. Den Adverbien hat sie die Kombination zweier Substantive mit großem Echoraum voraus. Sie muss nicht das Ende aller Tage aufrufen, um ein leicht pathetisches Tremolo hervorzubringen. Je ungewisser die Zukunft, desto flehentlicher die Versuche, sie in eine Bündnispartnerin der Gegenwart zu verwandeln.

"Aber am Ende des Tages heißt das ja nicht, dass man mit der Linkspartei zusammenarbeiten darf, weil die AfD noch gefährlicher ist", gab gerade ein CDU-Politiker zu Protokoll. Von der Zukunft sprach er nicht, es ging ihm um das Hier und Jetzt. Von nichts ist "am Ende des Tages" weiter entfernt als vom Sankt-Nimmerleins-Tag. Und meint zugleich keinesfalls einen konkreten, datierbaren Tag. Die Wendung, sonst eher im Wirtschaftsleben beliebt, umgibt vielmehr die aktuelle Intervention mit der Suggestion, die Zeit werde ihr recht geben. Ihr Trick: Sie mischt in die politische Rhetorik eine Prise poetischer Sprache. Vielleicht hat sie derzeit die Nase vorn vor "unter dem Strich" und anderen kühleren Rivalinnen, weil sie das politische Kalkül, die diskursive Arena des interessengeleiteten Streits verdeckt.

© SZ vom 13.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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