"Spiegel"-Chef Aust soll gehen:Vorzeitiger Abgang

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Die Dramaturgie hätte ihm als Spiegel-Geschichte vermutlich gefallen: Im Urlaub auf Bali erfährt Stefan Aust von seiner vorzeitigen Kündigung.

Christopher Keil und Caspar Busse

Die Kündigung ist vorzeitig, weil die Gesellschafter des Spiegel-Verlages eine Option nutzten, um Austs Arbeitsvertrag als Chefredakteur nicht bis 2010 weiterlaufen zu lassen, sondern ihn zum 31.12. 2008 zu beenden.

In der offiziellen, sehr kurzen Meldung am Donnerstagabend hieß es, die Gesellschafter des Spiegel-Verlags hätten einvernehmlich und auf Initiative der Mitarbeiter KG beschlossen, den Vertrag von Aust nicht weiterlaufen zu lassen. Über eine Nachfolge werde "zu gegebener Zeit" informiert. Nun wird Aust seinen Vertrag möglicherweise nicht bis Ende 2008 erfüllen.

Damit hatte der Machtmensch Aust wohl nicht gerechnet, mit einem Privatjet soll er die sofortige Rückreise angetreten haben, wahrscheinlich wird er die Entscheidung nicht hinnehmen und auf Auszahlung seiner Bezüge drängen.

Die Mitarbeiter KG, die die Mehrheit am Spiegel-Verlag hält, hat das Votum gegen Aust vorangetrieben. "Wir sind der Meinung, dass der Spiegel einen Modernisierungsschub braucht", sagte der Geschäftsführer der Mitarbeiter KG, Armin Mahler. Schlechter Führungsstil und mangelnde Innovationskraft werden dem 61-jährigen Aust, der den Spiegel seit 13 Jahren leitet, offenbar schon länger vorgeworfen.

Schlechte Personalentscheidungen

Ihm werden schlechte Personalentscheidungen angekreidet, Debatten im Innern sollen abgewürgt worden sein. "Wir wollen mehr junge Leute an das Blatt binden. Dazu braucht es eine frische, neue Kraft," so Mahlert. Angeblich haben auch Redakteure gegen die Entscheidung protestiert. Die Aufregung in der Redaktion ist jedenfalls groß.

Aust sieht damit zunächst wie der Unterlegene in der internen Auseinandersetzung mit dem seit Jahresanfang verantwortlichen Geschäftsführer des Spiegel-Verlags, Mario Frank, aus. Aber auch die Position des Geschäftsführers gilt nicht unbedingt als gefestigt. Er wollte zuletzt die Wirtschaftszeitung Financial Times Deutschland kaufen, doch er scheiterte damit ebenfalls am Widerstand der Mitarbeiter KG.

Angeblich habe Frank auch schon einen Nachfolger angesprochen, überraschenderweise den Journalisten Thomas Kleine-Brockhoff, lange Washington-Korrespondent der Zeit, inzwischen ist er für den German Marshall Fund der USA tätig.

Über Nacht, wie es am Donnerstag den Anschein hatte, wurde Austs Ende jedenfalls nach Lage der Dinge nicht beschlossen. Schon länger, so meinen Insider, seien sich die Mitarbeiter KG, Geschäftsführung und Gruner + Jahr einig gewesen über die Personalie. Seitdem ist man offenbar auch auf der Suche nach einem möglichen Nachfolger für Aust, mehrere Kandidaten sollen bereits angefragt worden sein, bisher aber ohne Ergebnis.

Aust ist seit Dezember 1994 Chefredakteur des Nachrichtenmagazins und auch für Spiegel-TV aktiv, im Sommer wurde er hier Herausgeber. Aust fing 1966 als Redakteur bei der Zeitschrift Konkret und bei den St. Pauli-Nachrichten an. Dann arbeitete er für den Norddeutschen Rundfunk (NDR) und das Politmagazin Panorama, schrieb das Buch Der Baader-Meinhof-Komplex.

Der Spiegel-Verlag befindet sich zu 50,5 Prozent in Besitz der Mitarbeiter KG, weitere 25,5 Prozent gehören dem Hamburger Verlag Gruner + Jahr, der Rest ist in den Händen der Erben von Rudolf Augstein. Gruner + Jahr, eine Tochter des Bertelsmann-Konzerns, wollte sich am Donnerstag nicht zu der Entscheidung äußern.

© SZ vom 16. November 2007/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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