Sommerserie Zwischenstopp:Zürich, Airport

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(Foto: iStockphoto)

Wir haben Autorinnen und Autoren um Texte über Orte des Aufbruchs oder Innehaltens, über Transiträume und Haltestellen gebeten. Monika Rinck erkundet den Flughafen Zürich.

Von Monika Rinck

Für unsere Sommerserie haben wir Autorinnen und Autoren um Texte über Orte des Aufbruchs oder Innehaltens, über Transiträume und Haltestellen aller Art in nah und fern gebeten.

Flughafen Zürich, wo hast du die Sachen hingelegt? Als ich dich durchstreifte, hast du mich nicht geführt. Du zogst es vor, mich mit Rabatten zu verwirren. Du nanntest mich den Passagier und ich nannte dich den Hafen, in dem ich mich verlor. Hast du mich nicht endlos an Läden entlang navigiert, bis ich komplett desorientiert war? Hast du mir nicht Reize in den Weg gestellt, die ich nicht wollte? Du hast mich auf konsumistischen Pfaden an die Oberfläche gelockt und die Zuwegung grafisch verkantet. Flughafen Zürich, war es nicht so?

Du wolltest mich trunken und duftend, und als ich es war, wolltest du mich nicht. Und wieder schicktest du mich durch den Duty Free, und wieder alle Geräusche sehr laut, und wieder wolltest du mich weiden auf Wiesen, die ich mir leisten konnte, und als ich in dir darbte, da beschalltest du mich. Du beschalltest mich mit postfolkloristischen Weisen, die mich tief im Innern rühren sollten. Wie konntest du nur, Flughafen Zürich? Und versuche es nicht mal. Vergeude nicht einen Gedanken daran, das zu leugnen.

Und keiner der nicht zahlt, darf sich in dir setzen, dein Raum ist völlig vermessen, doch hier ist noch ein Rohr in dir, um Menschen daran sich lehnen zu lassen, sie lehnen. Ich weiß, dass du Geld willst und hebe mein Glas. Stoße mit mir an, Flughafen Zürich, mit Gucci Guilty Eau de Parfum oder lieber mit Roederers knallteurem Schaumwein - ganz wie du willst. Prosit, Flughafen Zürich, Wohlsein und Frohsinn.

Aber weißt du, was mir gerade auffällt: Ich hab dich nie von außen gesehen, ich kenne dich nur von innen. Das ist ja ganz fantastisch. Ich glaube, du hast gar kein Außen. Oder weigerst dich, es zu zeigen. Vielleicht bist du ja eine mysteriöse Mulde. Ich bin ganz tief in dir. Aber ich weiß nicht, wo. Du stellst mich den funkelnden Spirituosen vor, du zeigst mir unbezahlbare Wäsche und wedelst mit edlen Gewächsen. Ich bin in dir. Aber bitte, Flughafen Zürich, hör auf zu kauen wie ein Ehepaar, das sich im Sternerestaurant eines Wellnesshotels gegenseitig verachtet. Hör sofort auf zu kauen. Bitte benimm dich. Zeig ein wenig Zugänglichkeit.

Als ein Sperling mit nur einem Bein vorbeihüpfte, warst du nicht erstaunt, Flughafen Zürich, wie kann das sein? Ein Sperling auf nur einem Bein? Weißt du was, ich kaufe dich und lasse dich einfach so liegen. Ich lege dich still, ich begrüne dich und werfe Huftiere aus ungefährlicher Höhe über dir ab. Dann fließe ich durch dich hindurch, bilde Ströme, um die Tiere zu laben. Vielleicht verkaufe ich dich auch an ein oligarchisches Konsortium, wenn mir danach ist. Es ist die Schwere der Gesamtsituation; mein lieber Flughafen, wie kannst du der nur entfliehen, und welches Terminal gilt deiner eigenen Abreise? Ja, es sind alle Geräusche sehr laut, und immerzu warst du auf verängstigte Weise herrisch gegenüber dem Servicepersonal; doch nun bist du lieb, nicht wahr, Flughafen Zürich, ganz lieb. Darf ich dir noch mal etwas sagen? Es steckt dir in den Knochen. Es leckt. Hier ist Tee. Dir ist schlecht, lieber Flughafen. Es ist der Tag danach. Wo hast du die Sachen hingelegt? Hast du dir wehgetan?

Oh Flughafen Zürich, ich werde aus deiner Wunde sprudeln, ich werde Frühlingsregen sein, ich werde durch deine Wände kommen und an ihnen herunterlaufen, ich werde aus deinem Gestänge spritzen, deine Module fluten, ich werde in dir Seen bilden. Und: Ich werde einen Hund dabeihaben, der sich kratzt und aus dir trinkt.

Monika Rinck , geboren 1969 in Zweibrücken, lebt in Berlin. 2015 erschien ihr Essayband "Risiko und Idiotie. Streitschriften".

© SZ vom 08.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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