Silikonarmbänder:Am Puls der Zeit

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Einst Symbol für Macht, dann reines Schmuckstück. Jetzt erhält es wieder politische Bedeutung. Eine Kulturgeschichte des Armbands.

Jürgen Schmieder

Das Armband war ein Symbol für Kraft, ein Insignium der Macht. In Ägypten diente es zur Bestimmung des Ranges innerhalb einer Gesellschaft. Je reicher verziert, desto höher stand der Träger in der politischen Rangfolge. Zu Zeiten der Römer wurde ein Armband als Symbol an erfolgreiche Feldherren nach einer gewonnenen Schlacht verliehen. Siegreiche Offiziere durften sich damit schmücken, verpönt waren jene Krieger, deren Handgelenk bandlos blieb: Sie galten als Versager. Nur der geschmückte Arm verriet dem Gegenüber die Stellung, es war kein Smalltalk der Marke "Mein Haus, mein Auto, mein Pool" mehr nötig. Ein Band sagte mehr als tausend Bilder.

Mit der französischen Revolution kam das Ende des Armbandes als Zeichen der politischen Bedeutung, es verkam zu einem reinen Schmuckstück ohne Bedeutung. Gerade bei Männern galt Schmuck am Handgelenk als unpraktisch - störend bei sportlichen Aktivitäten, im Alltag nervend. 1996 wollte Madonna dem Band wieder Bedeutung geben. Es sollte ein Zeichen für ihre Neugeburt im Zeichen der Kabbala sein. Das "Material Girl" wurde Mutter, ihre Seele wanderte im Sinne der All-you-can-eat-Religion, sie sang "Ray of Light". Nachahmer für Madonnas Sache gab es jedoch nur wenige.

Es dauerte bis 2004, als der Radrennprofi Lance Armstrong eine Initiative ins Leben rief, das Armband wieder zu altem Glanz zu führen. Er hatte den Krebs besiegt, danach sämtliche Berge der Tour de France. Der Kämpfer war zu einer Ikone aufgestiegen, sein knallgelbes Bändchen die Insignie seiner Regentschaft - über die Krankheit, über den Radsport. Das Band mit der Inschrift "Livestrong" wurde über 20 Millionen Mal verkauft. Warum aber der Hype? Das Band ist unkompliziert und drückt doch irgendeine Form von politischem und gesellschaftlichem Interesse aus. Stirnbänder mit Peace-Aufschrift sind out, weiße Schnürsenkel in Springerstiefeln peinlich. Wo die Aids-Schleife zu heikel wegen des Coming-Out-Verdachts war, ist das Armband harmlos. Nur das Band für Vergewaltigungsopfer wurde wieder zurückgezogen - wegen einer möglichen Identifizierung als Opfer.

Ein Band gegen Bänder

Mittlerweile gibt es Armbänder in den verschiedensten Farben: Zwei miteinander verbundene Bänder in Schwarz und Weiß bedeuten einen Sieg im Kampf gegen Rassismus. Die Farben des Regenbogens sind gegen die Ausgrenzung von Homosexuellen. Der Mensch heutzutage darf also für - oder besser: gegen - alles sein: Vergewaltigung, Kinderarbeit, Mobbing. Für jedes Übel das passende Band, die Farben werden knapp. So ist das Anti-Bush-Bändchen blau, das Pro-Bush-Band ebenfalls. Auch ein schwarzes Band existiert: Es protestiert gegen Silikonband-Bekenntnisse.

Eine Internetfirma bietet nun an, den Kunden Maßbänder herzustellen. Damit droht dem Armband wieder die Degradierung wie nach dem 18. Jahrhundert: Von einem Zeichen politischer Macht zu einem Mode-Accessoire. Das soll nicht passieren. Wohl aus diesem Grund verkündete ein amerikanischer Baseball-Fan in der Münchener Innenstadt die Bedeutung seines Armbandes: "Die Yankees sind keine Mannschaft, sondern eine Dynastie. Seit über 70 Jahren", tönte er. An seinem Handgelenk trug er ein dunkelblaues Band, auf dem deutlich die Inschrift NY Yankees zu sehen war. Es kostet zwei Dollar, kein Cent davon fließt an Bedürftige. Alles geht an die Yankees, für neue Spieler. Es ist eines der wenigen Armbänder, die noch ehrlich Macht und Erfolg ausdrücken.

© SZ vom 4.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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