Schwerpunkt:Freiheit zum Nein

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Zahlreiche spannende Beiträge von Regisseurinnen nehmen die Perspektive von Frauen ein. Es sind Frauen, die selbst bestimmen wollen und sich durchsetzen.

Von Christiane Lutz

Für manche bedeutet Selbstbestimmung, Skateboard zu fahren. Für andere, schwimmen zu lernen. Es gibt Frauen, die sich entscheiden, lieber für Geld mit Männern zu schlafen, statt Klos zu putzen. Und dann gibt es Frauen wie Janne (Aenne Schwarz), für die die größte Freiheit darin liegt, nach einer Vergewaltigung so weiter zu machen, als sei nichts. "Lass mal schlafen", sagt sie, "lass mal küssen", sagt der Typ. Janne lässt ihn nach kurzem Gerangel über sich ergehen. Danach: Zähne putzen, schlafen gehen. Alles ist gut - das scheint Jannes Mantra. Alles ist gut heißt auch der Film, in dem Eva Trobisch, Absolventin der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF), diese Geschichte erzählt.

Sexualisierte Gewalt ist ein heikles Thema, gerade in Zeiten der "Me too"-Debatte, die ihren Ursprung ja in der Filmbranche hatte. Im Kern der Debatte geht es immer um Selbstbestimmung. Um den Respekt vor persönlichen Entscheidungen von Frauen (und Männern), um den Respekt vor gezogenen Grenzen und um die Bewusstwerdung von Machtverhältnissen. Alles ist gut setzt genau an einem Moment in der Begegnung zwischen zwei Menschen ein, über den seit Monaten gestritten wird: Wie viel Nein heißt Nein? Janne flirtet, lässt den Typen bei sich übernachten, küsst ihn. Er betrachtet das als Einladung zu mehr. Sie wehrt sich, halbherzig nur. Weil sie nichts mehr fürchtet, als Opfer zu sein.

Alles ist gut fügt sich ein in eine Reihe spannender Beiträge von Regisseurinnen auf dem Filmfest, die die Perspektive von Frauen einnehmen. Frauen in einer von Männern geprägten Welt. Frauen, die selbst bestimmen wollen und sich durchsetzen. Das Missbrauchs-Drama The Tale (Regie: Jennifer Fox) gehört dazu, ebenso Skate Kitchen (Regie: Crystal Moselle) über eine Mädchen-Gang in New York, die sich ihren Raum in der männlich dominierten Skaterszene erobert. Dass es nicht immer nur darum geht, sich gegen Männer durchzusetzen, sondern auch gegen die Erwartungen der Gesellschaft, zeigt das argentinische Drama Alanis. Die Regisseurin Anahí Berneri erzählt nüchtern aus dem Leben einer jungen Mutter, die sich pragmatisch für Prostitution entscheidet und damit nicht mal unglücklich ist, obwohl alle finden, dass sie das sein sollte.

Berührend ist Carmen y Lola der spanischen Regisseurin Arantxa Echevarría. Der Film erzählt die Liebesgeschichte zweier Frauen in einem konservativen Roma-Clan bei Madrid. Carmen ist angepasst, soll heiraten. Sie hat keine eigenen Träume, kann nicht mal schwimmen. Lola küsst sie wach, weckt in ihr den Wunsch nach einem eigenen Leben. Als die heimliche Liebe auffliegt, wird Lola brutal von ihrer Familie verstoßen, Carmen aber steht für die Liebe ein, die beiden laufen davon. Es ist die Geschichte einer schmerzhaften Emanzipation, die die Regisseurin erzählt.

Beim Filmfest gibt man sich seit einigen Jahren große Mühe, weibliche Perspektiven genauso sichtbar zu machen wie männliche. Gerade, weil Frauen auch im Film- und Fernsehgeschäft noch immer strukturell benachteiligt werden. Filmfest-Chefin Diana Iljine hält allerdings nichts von inszenierter Symbolik wie etwa einem schwarzen Teppich, um auf die Missstände hinzuweisen. Sie handelt lieber. Lädt Regisseurinnen ein und besetzt die Jurys mit sieben Frauen (bei acht Männern). Am 30. Juni findet in der Black Box zudem ein Panel von Pro Quote Film statt. Es wird darum gehen, was in der Branche passieren muss, damit Frauen und Männer gleichberechtigt arbeiten können.

© SZ vom 28.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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