Schauspiel:Die Wölfe und das Reh

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Seit der Intendantin des Bochumer Prinzregenttheaters Romy Schmidt im Juli die Vertragsverlängerung verweigert wurde, tobt ein undurchsichtiger Machtkampf.

Von Martin Krumbholz

Eine erfolgreiche junge Intendantin an einem kleinen Bochumer Privattheater, der nach drei Jahren gekündigt wird; eine Ex-Chefin, die längst ein anderes Theater leitet, aber an alter Wirkungsstätte immer noch die Fäden zieht; ein Internetportal, die "Ruhrbarone", dem angeblich vertrauliche Dokumente zugespielt wurden - Zutaten scheinbar für eine Seifenoper aus dem Kohlenpott zum Thema Kunst und Ökonomie (sagen die einen) oder Erfolg und Argwohn (sagen die anderen).

Was ist geschehen? Vor zwei Jahren wurde Romy Schmidt als Nachfolgerin der langjährigen Theaterchefin Sibylle Broll-Pape ans Prinzregenttheater berufen. Schmidt machte vieles anders als ihre Vorgängerin, und - so Broll-Pape - das sollte sie auch. Sie veränderte nicht nur das Outfit des intimen Hauses in einer ehemaligen Zeche, sondern verjüngte mit ihren frischen Ideen Spielplan und Publikum. Das wurde allgemein anerkannt und wird auch vom Trägerverein, dem Broll-Pape vorsteht, nicht bestritten.

Dennoch überreichte man Schmidt im Juli, vor den Theaterferien, die Kündigung, sprich: Nichtverlängerung, auf recht nonchalante Art und Weise, wie die Intendantin klagt, verbunden mit der Ankündigung, man könne ja über eine Weiterbeschäftigung verhandeln, wenn Schmidt gelobe, sich kooperativer zu zeigen und auch mal einen Ratschlag zu akzeptieren. Die Intendantin wiederum erklärt, so ein Angebot könne sie nicht ernstnehmen.

Nein, beteuert Broll-Pape, in die Kunst habe man sich nie eingemischt, und die sei ja auch, wie gesagt, ganz okay gewesen. Was man Schmidt vorwerfe, liege allein im geschäftlichen Bereich. Details könne man nicht nennen, aber die unerfahrene Intendantin habe die ihr angebotene Hilfe einfach nicht annehmen wollen. Dass sie das Privattheater ökonomisch in die Bredouille gebracht habe, will der Trägerverein Schmidt allerdings auch nicht anlasten - die Auslastung ist durchaus zufriedenstellend. Es hapere im Atmosphärischen und in der Kommunikation, das Vertrauensverhältnis sei irreparabel beschädigt. Und auf drei Jahre begrenzte Verträge seien im Privattheater gang und gäbe.

Sibylle Broll-Pape leitet seit 2015 - wie man hört, erfolgreich - das E.T.A. Hoffmann Theater in Bamberg. Doch scheint sie den Abschied vom Prinzregenttheater, das sie 1990 mitbegründete, innerlich nie ganz vollzogen zu haben, was ja verständlich ist. Sie hängt an diesem Haus und möchte aus alter Fürsorglichkeit ein wenig darüber wachen - sie nennt es "helfen". Dass es sonderbar anmutet, wenn sie nun ihre eigene Nachfolgerin entlässt, scheint ihr zu entgehen.

Broll-Pape wundert sich über den Shitstorm, den Schmidts Nichtverlängerung ausgelöst hat: "Alle sehen das verletzte Reh, und wir sind die bösen Wölfe." Aber selbst der neue Intendant des Bochumer Schauspielhauses, Olaf Kröck, plädiert entschieden für eine Rücknahme der Kündigung. Romy Schmidt tue der Theaterstadt Bochum gut. Das ist richtig. Sehr wahrscheinlich ist eine solche Revision des Vorgangs nach all den zwischenmenschlichen Zerwürfnissen nicht, aber vielleicht - etwas guten Willen bei allen Beteiligten vorausgesetzt - auch nicht vollkommen ausgeschlossen.

© SZ vom 08.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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