Schauplatz Zürich:Sehr korrekt: die Flucht

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Im Zürcher Landesmuseum ist die Ausstellung "Flucht" zu sehen. Sehr pädagogisch, sehr korrekt und sehr schweizerisch geht es um Fluchtursachen oder Schlepprouten. Am Ende kann man virtuell sogar über Asylanträge befinden: Daumen rauf oder runter?

Von Charlotte Theile

Auf den Sitzblöcken am Eingang eine Schulklasse, es ist still. Auf einer Leinwand ist das Meer zu sehen. Die Schüler, etwa 15 Jahre alt, schauen zu, wie eine kleine Milchflasche an den Strand gespült wird. Abspann. Langsam stehen einige auf und sehen sich in der Ausstellung an, was unter anderem das Staatssekretariat für Migration für sie vorbereitet hat: sorgfältig aufbereitete Fakten über Fluchtursachen, Gefahren der Flucht, Schlepperrouten.

Das Zürcher Landesmuseum soll Geschichte und Gegenwart der Schweiz beleuchten. Die Ausstellung "Flucht", durch die sich nun die Schüler bewegen, will die Realität in Kriegsgebieten, überfüllten Flüchtlingslagern und schweizerischen Asylbewerberheimen zeigen. Beispielsweise folgt man fünf Flüchtlingen auf ihrem Weg in die Schweiz. Offenes Lachen, bewegende Lebensgeschichten, nachvollziehbare Motive. Und ein Problem: Es sind keine echten Menschen zu erleben, sondern fiktive Schicksale. Sicher ist die Darstellung nahe an dem, was Flüchtlingshelfer in der Schweiz Tag für Tag hören, aber es geht eben auch um: Idealtypen.

So reist man mit Wirtschaftsflüchtlingen oder politisch Verfolgten durch Europa, über das Mittelmeer, durch provisorische Zeltstädte. Irgendwann tut sich endlich die rettende Tür zur Schweiz auf. Nun kommen alle fünf Fälle vor einen virtuellen Asylrichter - per interaktivem Bildschirm senkt oder hebt sich der Daumen. Sie sei traurig, dass sie von Freunden und Verwandten getrennt würde, darf eine junge Frau aus Afrika noch sagen. Dann wird sie nach Italien zurückgeschickt.

Dazwischen sind immer wieder liebevoll gestaltete Köfferchen und nachgestellte Schlafstätten zu sehen. Oder auch Zeichnungen von traumatisierten Kindern. Und, am Ende, Interviews mit Schweizern, die berichten, was Integration für sie bedeutet. In echten Feldbetten lässt sich nachempfinden, wie Asylbewerber in der Schweiz so untergebracht sind.

Eine Konzeptausstellung ist das also. Sehr schweizerisch, sehr korrekt, mit dem Willen, möglichst breit und nüchtern zu informieren - und einem pädagogischen Anspruch: Immer wieder sollen die Besucher daran erinnert werden, dass auch Asylbewerber in erster Linie Menschen sind. Die Ausstellung ist noch bis zum 5. März zu sehen, ergänzt durch einige Diskussionsveranstaltungen. Am 12. Januar findet etwa eine Debatte zu dieser Frage statt: "Wer soll Schutz erhalten?"

© SZ vom 28.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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