Schauplatz Rom:Wo Fußball- und Kunstfans sich treffen

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Der Parkplatz des Museums für zeitgenössische Kunst gibt oft Anlass für die Begegnung zweier Welten.

Von Oliver Meiler

Rom ist ja so wunderschön, so lieblich und dämmerfrei zauberhaft, dass man der Stadt an guten Tagen alle Schwächen vergibt. Von denen gibt es auch eine ganze Menge. Eine geht so: Weil Rom selbstverliebt in seiner eigenen Geschichte hockt, entsteht kaum mal etwas Modernes, weder praktisch noch ästhetisch. Versucht eine Stadtregierung, das historische Leitmotiv, das ewige Narrativ, mit urbanistischen und architektonischen Eingriffen aufzulockern, hebt sich jedes Mal ein Chor der Empörung, breit und laut.

Höchstens am Rand der Stadt sind moderne Tupfer geduldet. So entstand etwa das Maxxi, Roms Museum für zeitgenössische Kunst, ein Bau von Zaha Hadid: viel Sichtbeton, Glas, kantige Linien. Es steht auf einem ehemaligen Industriegelände in Flaminio, dem Viertel im Norden der Stadt. Für manche Römer ist es dennoch ein Sakrileg. Dabei ist es eine Befreiung - und ein spannendes Labor dazu.

An Spieltagen der Serie A, Italiens höchster Fußballliga, wird aus dem Maxxi nämlich eine Kreuzung der Genres und der Gesellschaften. Die kulturell eher dürftig interessierten Fans von AS Rom und SS Lazio, den beiden Stadtvereinen, parken ihre Autos und Motorräder rund ums Museum und durchmessen dann den schönen, immer sauberen Park zwischen den Gebäuden Hadids, um zum Olympiastadion zu kommen, das ist nur fünf Gehminuten entfernt. Sie begegnen dabei den Museumsbesuchern mit deren dürftigem Verständnis von Fußball. Man kann sich natürlich fragen, welche Dürftigkeit schwerer wiegt. Doch dann gibt es da auch noch die, die Spiel und Kunst mischen, in beliebiger Reihenfolge - zuerst die Partie, dann das Museum oder eben umgekehrt.

Im Moment geht das ganz einfach. Im Maxxi läuft bis März eine Ausstellung des politisch engagierten Comiczeichners "Zerocalcare", der bürgerlich Michele Rech heißt. Sie trägt den Titel "Scavare fossati, nutrire coccodrilli", etwa "Gräben graben, Krokodile füttern", und erzählt die Geschichte des 35 Jahre alten Künstlers entlang der Ereignisse, die ihn, den Globalisierungsgegner, politisch geprägt haben: Die Revolte in Seattle 1999 aus der Ferne, der G-8-Gipfel in Genua 2001 mit den prügelnden Polizisten aus nächster Nähe, er nennt Genua die "Wasserscheide meines Lebens". Das Motiv der bösen Cops kehrt immer wieder in seinem Werk. Rech war mal ein Punk mit rotem Haarkamm, nun gilt er der Linken als Intellektueller, er warnt vor dunklen, faschistoiden Tendenzen in der Politik der neuen Mächtigen Italiens.

Die Comicbücher von "Zerocalcare" verkaufen sich dermaßen gut, seine Zeichnungen und Magazincover sind so gefragt, dass man ihm also eine mehrmonatige Ausstellung im Maxxi widmet. Weil das Phänomen die Kunst transzendiert. An diesem Spieltag ist die Schlange vor dem Museum zwar nicht ganz so lang wie jene vor dem Seiteneingang der Südkurve des "Olimpico". Doch nach Spielende, auf dem Rückweg zum Parkplatz, stehen sie noch immer an bei "Zerocalcare".

© SZ vom 19.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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