Schauplatz Rom:Die neue Bar am Aquädukt

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Die Via del Tritone im historischen Zentrum gehört zu den hässlichsten Straßen der Stadt. Ausgerechnet hier ist jetzt ein neues Kaufhaus eröffnet worden. Der Bau hat sich ganz schön lang hingezogen. Erst mal buddelten Archäologen.

Von Oliver Meiler

Im historischen Zentrum Roms, dem 1. Bezirk, gibt es eindeutig schönere Straßen als die Via del Tritone. Eine Schlucht ist sie, urban und unrömisch, eng und verpestet, obwohl der Verkehr eingeschränkt sein sollte, "Zona a traffico limitato". Es verkehren aber: Autobusse der Linien 52, 53, 62, 63, 71, 83, 85, 160, 492, Taxis, Limousinen der Politiker und solche mit chinesischen Touristen, Zulieferer der Restaurants, Anwohner mit Zulassungspass. Der Gehsteig ist viel zu schmal, man drängt sich aneinander vorbei. Zu sehen gibt es fast nichts, keine nennenswerte Kirche, nur das imposante Redaktionshaus der Lokalzeitung Il Messaggero. Flanieren jedenfalls geht anders. Vielleicht ist die Via del Tritone gar von allen großen Straßen des Municipio I die hässlichste. Bisher mied man sie, wann immer möglich.

Nun aber gibt es da, an der Hausnummer 61, was Rom davor immer gefehlt hatte und was die Stadt offenbar dringend brauchte. Zumindest nach Ansicht der Römer, und das ist doch von einem gewissen Belang. Es gibt da nämlich nun ein richtig großes und elegantes Kaufhaus - einen Flagshipstore der Kette Rinascente. Acht Stockwerke mit schönen Läden, mit einer Gastronomieabteilung und Terrassenrestaurants mit spektakulärer Sicht über die Dächer und Kuppeln Roms, 360 Grad. Rinascente hatte schon einmal einen Sitz an der Straße, ganz unten, am Largo Chigi. Doch der war zu klein, man verkaufte ihn einer spanischen Kleiderkette.

Das Kolosseum wurde schneller fertig als dieses Kaufhaus

Die neue Immobilie weiter oben musste zunächst komplett ausgehöhlt werden, damit sie passte. Es passierte, was immer passiert, wenn sie in Rom graben: Sie fanden tolle Reste aus der Antike - eine Domus, Thermen und Teile eines Aquädukts aus dem 1. Jahrhundert. Und so brauchte der Bau viel mehr Zeit als geplant, elf Jahre! Natürlich lag das nicht allein an den Funden im Boden, sondern recht beträchtlich und wie immer auch an der Bürokratie. Bei der Gelegenheit erinnerte die italienische Presse daran, dass das Kolosseum damals, als das Bauen noch etwas komplizierter war, in nur acht Jahren entstanden sei.

Nun aber steht sie endlich, die Rinascente. Der Name der Kette, gegründet 1917 in Mailand, ist übrigens ein Einfall des Schriftstellers Gabriele D'Annunzio. Der hatte vor hundert Jahren den Auftrag, dem Geschäft, dem es gerade nicht so gut ging, neues Leben anzudichten: "La Rinascente" - so, mit Artikel, wie sie sich bis vor Kurzem schrieb - steht für "die, die wiedergeboren wird".

Das neue Haus in Rom soll im Jahr acht Millionen Kunden anziehen. Idealerweise sind vermögende Touristen dabei, die sich teure Waren leisten können. Auffällig viele Verkäufer sprechen Russisch oder Chinesisch. Im Untergeschoss, -1, ist die Mall ein Museum. Da haben sie ein 60 Meter langes Stück des ausgegrabenen Aquädukts stehengelassen, es ist jetzt die Kulisse einer Bar - mit didaktischer Lichtschau, die im Viertelstundentakt läuft. Man erfährt, wie hübsch es hier früher ausgesehen haben muss, was da alles war. Gleich unter der Via del Tritone also, der hässlichen. Die übrigen antiken Reste haben sie wieder zugeschüttet.

© SZ vom 27.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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