Schauplatz Paris:Kleine Cäsaren

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Der Abend der "César"-Preisverleihung, der kleinen französischen Schwester des amerikanischen "Oscar", wirft in Paris seine Schatten voraus. Allerdings wird weniger um ästhetische als um politische Belange gestritten.

Von Joseph Hanimann

Normalerweise fiebert man in Paris um diese Jahreszeit dem Abend der "César"-Preisverleihung, der kleinen französischen Schwester des amerikanischen "Oscar", entgegen. Diesmal fällt er auf den 28. Februar. Doch es rumort, seit bekannt ist, dass Roman Polanskis Film "Intrige" mit zwölf Nennungen in der Vorauswahl, darunter für den "besten Film" und "besten Autor", ganz oben auf der Kandidatenliste steht. Die Polemik um den wegen Vergewaltigung angeklagten Filmemacher wallt wieder auf. "Wenn Vergewaltigung eine Kunst ist, gebt ihm alle Preise!", protestierte die Feministinnenvereinigung "Osez le féminisme" und versprach, am Abend der Zeremonie von sich hören zu lassen wie schon vor drei Jahren. Damals sollte Polanski durch den Abend führen, verzichtete aufgrund der Proteste aber kurzfristig darauf.

Diesmal ist die Sache komplizierter. Was, wenn Polanski tatsächlich einen oder mehrere Césars bekommt? Diese Situation wolle sie sich lieber nicht ausmalen, erklärte die französische Staatssekretärin für Geschlechtergleichstellung, Marlène Schiappa: den Saal einem wegen Vergewaltigung Angeklagten zujubeln zu sehen, wäre für sie empörend. Die Kritik feierte den Film mehrheitlich als großes Werk, und das Publikum bestätigte das mit bisher anderthalb Millionen Besuchen. Die für die César-Vergabe zuständige "Académie des arts et techniques du cinéma" habe keinen moralischen Standpunkt zu beziehen, erklärte deren Vorsitzender Alain Terzian. Der künstlerische Wert eines Werks und das Verhalten seines Autors seien zweierlei Dinge, finden auch die Bewunderer Polanskis. Sie verweisen auf Persönlichkeiten wie Catherine Deneuve oder Yasmina Reza, die die Anfeindungen gegen den Filmautor wegen jahrzehntealter Geschichten für übertrieben halten.

Der Streit reicht bis in die französische Regierung. Die Akademie sei Herrin ihrer Entscheidungen, er habe sich nicht einzumischen, erklärte Kulturminister Franck Riester von sich. Leider müsse sie feststellen, dass das französische Kinomilieu einiges nachzuholen habe, konterte seine Kollegin Marlène Schiappa spitz.

Einwände waren früh auch gegen den Zweitplatzierten der César-Vorauswahl aufgekommen, gegen Ladj Ly und seinen Film "Les Misérables" (Die Wütenden), der in elf Preis-Kategorien des César im Rennen ist. Einer, der wegen Gewaltakten im Gefängnis saß, soll zum Kinostar gemacht werden? So empörten sich rechtsnationalen Blätter gegen das ehemalige Migrantenkind aus der Pariser Vorstadt. Polanski und Ly - das sei dasselbe Problem, bestätigte Marlène Schiappa. Keineswegs, protestieren andere. Auf der einen Seite habe man einen weißhäutigen Juden, den man für alte Geschichten durch den Dreck ziehe und der auf seine Anwesenheit bei der César-Zeremonie wohl verzichten müsse. Auf der anderen Seite stehe ein Schwarzer, dem man alles nachsehe und bei der Preisverleihung wohl applaudieren werde. Immerhin habe der eine seine Strafe im Gefängnis abgesessen, während der andere ihr seit Jahren ausweiche, geben darauf andere zu bedenken. So strahlt der César-Abend schon jetzt im Licht der politischen Brisanz.

© SZ vom 05.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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