Schauplatz Madrid:Schluss mit lustig

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Der neue Kulturstadtrat von Madrid, Guillermo Zapata, muss wegen rassistischer Witze zurücktreten - nach nur ein paar Stunden im Amt.

Von Thomas Urban

Eigentlich sollte Guillermo Zapata am Dienstag der Madrider Presse die Kulturpolitik der neuen, linksorientierten Stadtregierung vorstellen. Das Motto: Gegen die Kommerzialisierung. Stattdessen Kultur für alle, dank stark subventionierter niedriger Eintrittspreise. Der neue Kulturstadtrat, ein Aktivist der linksalternativen Protestbewegung 15-M, wollte Gelder umschichten, von der elitären Hochkultur zur Förderung breit angelegter Initiativen. Doch die Pressekonferenz fiel aus. Der Filmregisseur, Drehbuch- und Romanautor war nämlich am Abend zuvor zurückgetreten, wenige Stunden, nachdem er sein neues Büro das erste Mal betreten hatte. Der Grund: Er hatte vor vier Jahren über Twitter einen antisemitischen Witz verbreitet, außerdem einen Kommentar, der ein Opfer der baskischen Terrororganisation ETA verhöhnte. Kurz nach seiner Ernennung setzte im Internet ein gewaltiger Shitstorm gegen ihn ein. Die konservative Volkspartei (PP) erklärte, wenn die neue Bürgermeisterin Manuela Carmena ihn nicht sofort entlasse, bedeute dies, dass sie sich mit dessen "Barbareien" gemein mache. Die Sozialisten, Juniorpartner in der Linkskoalition, schlossen sich der PP-Forderung an und zeigten der Bürgermeisterin so schon an ihrem ersten Tag im Amt auf, wie eng ihr Spielraum ist.

Zapata, dem konservative Kommentatoren wegen seiner Barttracht eine Sympathie für den kubanischen Diktator Fidel Castro unterstellen, sah zunächst keinen Anlass für einen Rücktritt. Er sei weder Antisemit noch Sympathisant der ETA, wohl aber ein "Freund des schwarzen Humors", der ein Stilmittel sei, sich durch Überspitzung vom Gesagten zu distanzieren. Die Zitate seien aus dem Zusammenhang gerissen. Das erste lautete: "Wie bekommt man fünf Millionen Juden in einen 600er?" - womit ein Kleinwagen von Seat gemeint war. Die Antwort: "Im Aschenbecher." In der Tat hatte Zapata zuvor an Debatten über politische Korrektheit und die Grenzen des Humors teilgenommen, doch ging dies aus diesem Tweet nicht hervor. Ebenso wenig wie aus dem Satz über eine bekannte Journalistin, die nach einem ETA-Anschlag beide Unterschenkel verloren hatte und nun auf Friedhöfen "Ersatzteile" suchen müsse. Jedenfalls nützten ihm seine gewundenen akademischen Erklärungen und Entschuldigungen nichts. Die Bürgermeisterin gab dem öffentlichen Druck nach - ein missglückter Start in eine neue Kulturpolitik.

© SZ vom 17.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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