Schauplatz Madrid:Schluss mit diesen Erinnerungen!

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Madrid benennt 52 Straßen um: 42 Jahre nach dem Tod des Diktators Franco müssen die letzten Militärs und hohen Amtsträger aus dessen Regierungszeit aus dem Stadtbild verschwinden.

Von Thomas Urban

Fast im Stillen vollzieht sich in diesem Sommer eine kleine Kulturrevolution. An 52 Straßen und Plätzen werden die Straßenschilder ausgewechselt. Es ist ein weiterer, wenn auch kleiner Schritt zur Aufarbeitung der Franco-Zeit. 42 Jahre nach dem Tod des Generalissimus müssen die letzen Militärs und hohen Amtsträger der Diktatur aus dem Stadtbild verschwinden.

Die Namenskommission, eingesetzt von der Oberbürgermeisterin Manuela Carmena, einer einst der kommunistischen Partei angehörenden ehemaligen Richterin, hat die Namen franquistischer Generäle aber nicht einfach durch Kämpfer der unterlegenen linken Formationen ersetzt, sondern vor allem durch Dichter und Philosophen. Von denen war die Mehrheit indes politisch engagiert, und zwar auf Seiten der von Franco bekämpften Republik.

Die ersten zwei Dutzend Straßen waren bereits 1980, fünf Jahre nach dem Tod des Diktators, umgetauft worden, beginnend mit der Avenida del Generalísimo, die wieder zum Paseo de la Castellana wurde. Von dem Diktator selbst war danach nur noch eine nach ihm benannte kurze Travesía, eine Querstraße, übrig geblieben. Sie wird fortan den Namen des Mathematikers und Abenteurers Diego Torres Villarroel tragen, der in seinen Memoiren ein pralles Sittengemälde Spaniens im 18. Jahrhundert geschaffen hat.

Weitere prominente Umbenennungen: Den Platz von Francos ehemaligem Generalstabschef Muñoz Grandes, im Krieg Kommandeur der Blauen Division, die an der Seite der Wehrmacht an der Ostfront unterging, nimmt der kommunistische Widerstandskämpfer und Gewerkschaftsführer Marcelino Camacho ein. García Morato, das Flieger-Ass der Luftwaffe Francos, muss dem ungarisch-amerikanischen Frontfotografen Robert Capa weichen, der durch seine Bilder von eben jenem Spanischen Bürgerkrieg weltberühmt wurde. Keine Gnade fand auch der von den Franquisten verehrte Gutsbesitzer und Torero El Algabeño. Ihn ersetzt der von den spanischen Kolonialherren hingerichtete philippinische Freiheitskämpfer José Rizal.

Dies alles genehmigte der Stadtrat mit fast zwei Drittel der Stimmen, linke wie liberale Gruppierungen waren sich hier einig. Nicht mitgetragen wurde der Beschluss von der konservativen Volkspartei (PP), die aus einer franquistischen Gruppe hervorgegangen ist. Doch selbst die PP-Stadträte stimmten nicht dagegen, sondern enthielten sich. Für Franco springt heute in Madrid niemand mehr in die Bresche.

© SZ vom 26.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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