Schauplatz Madrid:Mit der Sektflasche im Schützengraben

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Zuschütten oder ein Museum errichten? In Spanien gibt es Streit um einen Archäologie-Fund: Es handelt sich um den letzten Schützengraben Madrids aus dem Bürgerkrieg. 1939 siegte an dieser Stelle der Rebellengeneral Franco.

Von Thomas Urban

Kann ein Stück Schützengraben Kulturgut sein? In Madrid streiten sich gleich mehrere Behörden über die Antwort. Da sie sich nicht geeinigt haben, wird das kleine Areal im Westen der Stadt, an dem zwei Jahre lang Archäologen vorsichtig Schicht um Schicht abgetragen haben, nun wieder zugeschüttet. Es handelt sich um den letzten Schützengraben Madrids aus dem Bürgerkrieg: An dieser Stelle kapitulierte im März 1939 die letzte Einheit der nationalen Armee, die die Republik verteidigen wollte, und ergab sich den Einheiten des Rebellengenerals Franco.

Die Reste der Verteidigungsanlage waren vor einem Jahrzehnt entdeckt worden, doch die damalige konservative Stadtregierung war an einer Untersuchung nicht interessiert. Erst nachdem bei den Kommunalwahlen 2015 links orientierte Gruppierungen, die sich in der Tradition der Republik sehen, das Madrider Rathaus erobert hatten, gab es Gelder dafür. Die Archäologen fanden, nicht überraschend, Munitions- und Uniformteile, aber auch Sherry- und Sektflaschen sowie Lammknochen, offenbar Überreste eines Festschmauses der siegreichen Franco-Truppen.

Die Archäologische Gesellschaft Madrids möchte den Ort zu einem kleinen Museum über die grausamen Kämpfe um die Hauptstadt machen. Voraussetzung dafür wäre, dass die Mauerreste unter Denkmalschutz gestellt würden. Dabei zog jedoch das dafür zuständige Kulturministerium nicht mit, das bis zum Regierungswechsel vor zwei Monaten in konservativer Hand war. Zudem wandten Historiker ein, dass der Ort für eine derartige Investition wenig geeignet und auch nicht bedeutend genug sei.

Im Rathaus setzt man stattdessen auf zwei andere Projekte: Das Museum der Geschichte Madrids, dessen Ausstellungen bislang bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts reichten, soll um Abteilungen über den Bürgerkrieg, die Franco-Diktatur (1939 - 1975) und den anschließenden Weg in die Demokratie erweitert werden. Außerdem beschloss der Stadtrat nun, den Weg zu einer Dauerausstellung über die Bombardierung Madrids im Bürgerkrieg freizumachen. Ort wird ein Gebäude sein, dass durch eine Aufnahme des Kriegsfotografen Robert Capa berühmt wurde: Im Herbst 1936 hatte er unbemerkt Kinder vor der zerschossenen Fassade eines einstöckigen Hauses fotografiert, die Kinder sind offenkundig fröhlich, als seien die Schrecken des Kriegs an ihnen vorübergegangen. Wegen dieses Kontrasts wurde die Aufnahme zu einer der berühmtesten Kriegsfotografien.

Die Löcher sind auf der rot getünchten Fassade des heruntergekommenen Backsteinhauses auf der Peironcely-Straße 10 im Südosten Madrids längst nicht mehr zu sehen, in ihm wohnen weiterhin drei Dutzend Personen in fünfzehn Kleinwohnungen von je 20 Quadratmetern. Den Familien werden nun als Ersatz moderne Sozialwohnungen angeboten. Mit der Entscheidung des Stadtrats wurden die Pläne des Eigentümers durchkreuzt, das Gebäude abreißen und auf dem Grundstück ein fünfstöckiges Wohnhaus errichten zu lassen. Die Madrider Presse sieht es als gutes Zeichen an, dass im Gegensatz zur Kontroverse über den Schützengraben dieses Mal auch die konservativen Stadtverordneten das Projekt zur Aufarbeitung des Bürgerkriegs unterstützen.

© SZ vom 01.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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