Schauplatz Madrid:Der Torero ist ein Künstler

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Gemetzel oder förderungswürdige Kultur? Stierkampf in Murcia. (Foto: Juan Francisco Moreno/dpa)

Im Kampf um die Rettung der Kultur melden sich nun auch die Stiftung für die Förderung des Stierkampfes. Obwohl nur noch eine Minderheit der Spanier solche Spektaktel besucht, ist die Corrida Kulturgut.

Von Thomas Urban

Mit solch einem Problem konnte der erst seit Januar amtierende Kultur- und Sportminister José Manuel Rodríguez Uribes wirklich nicht rechnen: Den Kulturinstituten, die wegen ihrer vorübergehenden Schließung im Zeichen des Coronavirus, und den Künstlern, die wegen gestrichener Auftritte in seinem Ministerium um Finanzzuschüsse bitten, hat sich lautstark die Stiftung für die Förderung des Stierkampfs angeschlossen, die Veranstalter, Toreros und Züchter vertritt.

Es ist ein Dilemma für den Minister, der Experte für Rechtsphilosophie ist, denn die regierende Linkskoalition möchte eigentlich alle Subventionen für die Corridas streichen, sie am liebsten ganz verbieten. Ein Referendum darüber ist bereits in Vorbereitung. Doch die konservative Vorgängerregierung hat mit ihrer damaligen Parlamentsmehrheit den Stierkampf zum nationalen Kulturgut erklärt. Und dieses Gesetz gilt nach wie vor. Im Zeitalter von Corona hat man in Madrid andere Sorgen als den Kampf gegen das blutige Spektakel.

Die Branche hatte in vergangenen Jahren, in denen Spanien seine schwere Wirtschaftskrise überwunden hat, leichte Zuwächse bei den Umsätzen verzeichnet. Allerdings haben Umfragen zufolge nicht einmal zwölf Prozent der erwachsenen Spanier jemals einen Stierkampf gesehen. In der jungen Generation liegt das Interesse im unteren einstelligen Prozentbereich. Die Branche beschäftigt rund 6000 Personen, 751 von ihnen tragen die Berufsbezeichnung Torero und werden von den Steuerbehörden in die Berufsgruppe der Künstler eingeordnet. Folgerichtig hat die Stiftung der Branche auch die Finanzierung einer Toreroschule nach dem Vorbild der staatlichen Kunstakademien gefordert.

Nun heißt es in einem Brief der Stiftung an den Minister, dass das Kulturgut Stierkampf besonders schwer von der Corona-Krise getroffen sei. Die Regierung müsse es in ihren Notfallplan aufnehmen. Rodríguez Uribes hat sich dazu bislang nicht geäußert. Bei seinen Entscheidungen greift er gern auf Jean-Jacques Rousseau zurück, den Vordenker der Menschenrechte, des Natur- und des Tierschutzes, dem der Minister eine seiner frühen akademischen Arbeiten gewidmet hat. Der Schweizer Philosoph hat sich tatsächlich auch über den Stierkampf ausgelassen: Dieser stärke die Seele der Spanier. Bis heute rätseln manche von ihnen indes, ob Rousseau dies bewundernd oder verächtlich gemeint hat.

© SZ vom 01.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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