Schauplatz Madrid:Das Tier in der politischen Arena

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Der Stierkampf ist in Spanien ein Thema, das wie kein anderes die Gesellschaft spaltet - und das sich eignet, um Emotionen im Kampf gegen Madrid zu schüren. Die Katalonen und die Balearen machen das.

Von Thomas Urban

Wieder einmal hatte das Verfassungsgericht in Madrid eine grundlegende Entscheidung in Sachen Kulturpolitik zu treffen, und das ganze Land schaute gespannt hin. Denn es ging um ein Thema, das wie kein anderes die spanische Gesellschaft spaltet: die Corrida, den Stierkampf, über den die meisten Medien tatsächlich unter der Rubrik "Kultur" berichten. Denn er ist laut Gesetz ein "immaterielles Kulturgut" und deshalb vom Staat zu schützen. Das Gesetz hatte vor zwei Jahren die konservative Volkspartei mit ihrer damaligen absoluten Mehrheit gegen den heftigen Widerstand der linken Opposition durchgesetzt. Erst die Katalanen, dann die links orientierte Regionalregierung der Balearen versuchten daraufhin, dieses Gesetz zu umgehen, indem sie neue Bestimmungen für den Tierschutz erließen. In Katalonien will man die Corrida schon lange endgültig verbieten, es ist auch ein Teil des Kulturkampfes gegen Madrid.

Auf den Balearen sollten die Tiere beim Kampf nicht mehr getötet werden

Das Regionalparlament der Balearen in Palma de Mallorca ließ zwar den Stierkampf weiterhin zu, doch mit einer fundamentalen Änderung, die mit dem Tierschutz begründet wurde: Die Stiere dürfen nicht mehr in der Arena getötet werden, es darf nur die Muleta zum Einsatz kommen, das rote Tuch, das aber meist hellviolett ist. Verboten sind die mit bunten Bändern versehenen Spieße, die dem Stier in den Rücken gestoßen werden, und erst recht der Degen, den der Matador, was wörtlich "Töter" bedeutet, am Ende eines siegreichen Kampfes dem ermatteten und blutenden Tier von oben zwischen die Schulterblätter stößt. Auch wurde der Alkoholausschank verboten, und die Veranstalter müssen davor warnen, dass ein Besuch beim Zuschauer "traumatische Reaktionen" auslösen könne. Überdies - und dies brachte die Corrida-Lobby zur Weißglut - sollen die Stiere auf Doping kontrolliert werden.

Diesem Sonderweg der Insulaner hat nun das Verfassungsgericht einen Riegel vorgeschoben. Es hatte nicht über das Wesen des Stierkampfes zu urteilen, sondern lediglich zu begutachten, ob eine Regionalregierung ein nationales Gesetz konterkarieren könne. Das Urteil lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Der Tierschutz unterliegt nationaler Kompetenz und nicht den autonomen Regionen. Im Übrigen wäre die zuständige Instanz für eine Änderung des Gesetzes zum Schutz des Stierkampfes als Kulturgut ebenfalls das Parlament in Madrid. Und dort haben die Gegner der Corrida keine Mehrheit.

Doch erwartet man in Madrid auch, dass die Regionalisten auf den Balearen, die sich den aufmüpfigen Katalanen verbunden fühlen, neue Wege finden, um mit Bestimmungen etwa der örtlichen Ordnungsämter den Verfechtern der Corrida ihr blutiges Geschäftsmodell zu verleiden. Auch die Politiker in den Regionen, die sich gern von Madrid absetzen, sind wohl nicht wirklich böse über den Spruch der Verfassungsrichter: Das Thema köchelt so weiter, es eignet sich bestens, Emotionen gegen den spanischen Staat zu schüren. Eines gilt als so gut wie sicher: Es war nicht das letzte Mal, dass sich das Gericht mit der Corrida befasst hat.

© SZ vom 06.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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