Schauplatz Berlin:Harmonisches Design für die Hedwigskirche

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Die Hedwigskirche war immer auch ein politisches Symbol und ein wunderbares Beispiel der Nachkriegsmoderne. Jetzt kommt die Aufhübschung.

Von Stephan Speicher

Am Allerheiligentag dieser Woche hat der Erzbischof von Berlin, Heiner Koch, seine Entscheidung zum Umbau der Hedwigs-Kathedrale verkündet. In einem Hirtenwort hat er seinen Standpunkt erläutert und gleich das Spendenkonto genannt. Denn das Erzbistum Berlin ist arm, für die Kosten von geschätzt 43 Millionen Euro müssen die anderen deutschen Bistümer miteinspringen. Aber ohne persönliche Opfer der Gläubigen kann es nicht gehen. Es sieht jedoch nicht so aus, als ob viele dazu bereit wären.

Die Hedwigs-Kathedrale ist die erste katholische Kirche, die seit der Reformation in Berlin gebaut wurde. Sie war ein Signal Friedrichs II. an die Katholiken (vor allem die in seiner Armee) und auch an die gerade frisch eroberte Provinz Schlesien, ein Signal, das respektvoll aufgenommen wurde. Im Zweiten Weltkrieg brannte die Kirche bis auf die Grundmauern ab, der Wiederaufbau war ein Politikum wie die erste Errichtung 1747. Verantwortlicher Architekt war Hans Schwippert, Schöpfer des Plenarsaals des Bundestags. Dass er in Ost-Berlin eine solche Bauaufgabe übernehmen konnte, wurde dankbar als Zeichen der Verbundenheit der beiden Teile Deutschlands wahrgenommen.

Und Schwippert machte etwas aus dem Auftrag. Die Hedwigskirche, ein Zentralbau nach dem Vorbild des römischen Pantheons, ist ein heikler Bau. Die überkuppelte Rotunde formuliert neuplatonische Vorstellungen kosmischer Harmonie - das war auch der Grund, warum Friedrich für diesen Bautyp votierte. Schwippert nun öffnete den Boden zur Unterkirche und führte eine breite Treppe hinab. Diese Unterkirche ist der Stolz der Hedwigs-Gemeinde, hier liegt Bernhard Lichtenberg begraben, der öffentlich gegen die Verfolgung der Juden auftrat und 1943 auf dem Transport ins KZ Dachau starb. Die kreisförmige Öffnung des Fußbodens reicht bis unmittelbar vor den Altar der Oberkirche, ein Pfeiler verbindet diesen mit der Altarmensa der Unterkirche. Der Kunsthistoriker Adrian von Buttlar, viele Jahre Vorsitzender des Landesdenkmalsrats Berlin, sieht in dieser Vertikalen "das fundamentale Verhältnis von Leiden, Tod, Wandlung und Erlösung" verkörpert. Einem tendenziell pantheistischen Bau wurde ein genuin christliches Element eingefügt.

Das soll nach dem Entwurf der Architekten Sichau und Walther getilgt, der Boden geschlossen, ein halbkugliger Altar unter den Scheitelpunkt der Kuppel gerückt werden. So werde der "communio"-Gedanke gestärkt. Es ist ein harmonischeres Bild, das sich nach dem Umbau ergäbe. Die Erinnerungen an die Schrecken des Daseins werden an die nun abgedeckte Unterkirche delegiert. Schwipperts Leistung verdankte sich einer "Baugesinnung", die aus der Erinnerung an Krieg, Gewalt, Unrecht lebte. Es war eine wirkliche Kunstleistung, die allerdings, wie so vieles in Berlin, einer sanften Verwahrlosung übereignet wurde. Und nun steht ihre Ersetzung durch Design an.

© SZ vom 04.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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