Schauplatz Berlin:Baustelle gesucht

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Der Verein "Ein Haus für die Vereinten Nationen" will das Palais am Festungsgraben in eine Begegnungsstätte verwandeln.

Von Lothar Müller

Ein Flügel wartet vergeblich darauf, bespielt zu werden. Die Büsten von Maxim Gorki und Heinrich Heine schauen auf leere Stühle. Auf sie herab blickt, aus der blau-goldenen Decke, die sich wie ein Bühnenhimmel über den großen Marmorsaal spannt, Johann Wolfgang Goethe. Wir sind im Palais am Festungsgraben, hinter der Neuen Wache, neben dem Gorki-Theater, der ehemaligen Sing-Akademie. Historisches Museum und Humboldt-Universität sind Nachbarn diesseits des Boulevards Unter den Linden. Auf der anderen Seite gehören die Staatsoper und das entstehende Humboldt-Forum dazu.

Beide sind Großbaustellen. Eine Baustelle müsste, wenn die Berliner Kulturpolitik über historisches Bewusstsein verfügte, auch das Palais am Festungsgraben sein. Im mittleren 18. Jahrhundert errichtet, wurde die Dreiflügelanlage mehrfach umgebaut, im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, in DDR-Zeiten als "Haus der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft" genutzt. Seit 25 Jahren residiert hier das kleine "Theater im Palais", die "Gesellschaft für bedrohte Völker" und "World Heritage Watch" haben hier Büros, eine Event-Agentur vermarktete ein paar Jahre lang den Marmorsaal und seine Nebensalons für Empfänge und Filmaufnahmen, das "Schinkel-Zimmer", ein intimer Festsaal mit Vasen und Spiegeln, der 1934 aus dem abgerissenen Weydingerhaus hierher verbracht wurde war Hochzeits-Zimmer.

Um die wenigen Mieter herum, mit denen das senatseigene "Berliner Immobilien Management" (BIM) so gerade eine schwarze Null erwirtschaftet, schreitet der Verfall voran. Von den Fundamenten bis in die oberen Geschosse, in denen zum Teil seit 1989/90 die Zeit stehen geblieben ist, sind die Wasser- und Stromleitungssysteme marode, der Sanierungsbedarf beläuft sich auf 20 bis 25 Mio Euro. In das Vakuum des nicht vorhandenen Nutzungs- und Sanierungskonzepts hinein hat sich nun der Verein "Ein Haus für die Vereinten Nationen" gegründet. Vorsitzender ist der ehemalige FU-Präsident Rolf Kreibich, zu den Unterstützern gehören ehemalige Diplomaten, Vertreter der Gelehrtenrepublik und Museumsleute, die Initiatorin des Holocaust-Denkmals, Lea Rosh. Sie wollen - mit Diskussionen, Ausstellungen etc. - das Palais in eine Schnittstelle zwischen städtischer Öffentlichkeit und Internationaler Politik verwandeln, die Projekte und Perspektive der Vereinten Nationen nach Berlin holen, den UN-Generalsekretär ins Marmorzimmer. Ohne Grundsanierung geht das nicht. Jetzt muss der Senat sagen, was er will.

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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