Salzburger Festspiele:Fahr zur Hölle, Schätzchen

Lesezeit: 1 min

Ein rauschendes Kleid und ein ausladendes Dekolletee sind Voraussetzung für die Buhlschaften im Salzburger "Jedermann". Aktuelles Paradeweib ist Sophie von Kessel.

Christian Mayer

Zu den Ritualen der an diesem Wochenende beginnenden Salzburger Festspiele gehört ein sehr katholisches Drama auf dem Domplatz.

Sophie von Kessel in kaltem Blau. Trotzdem: als Buhlschaft will sie auch enthemmt sein. (Foto: Foto: dpa)

Hugo von Hofmannsthal hat seinen "Jedermann" für ein Publikum geschrieben, das sich noch heute am Todeskampf eines verblendeten Lebemannes erfreut - der reiche Liebhaber, dem alles Mitleid fremd ist, fährt am Ende zur Hölle.

Aber was wäre der Jedermann ohne seine Buhlschaft, ohne schöne Begleiterin? Auch die verführte Verführerin liebt nur den Genuss, den Geschmack des Wohlstands.

Sie muss nicht viel sagen, in diesem fast mittelalterlichen Mysterienspiel, sie muss einfach nur da sein, sich den Erwartungen hingeben und dabei Sinnlichkeit, Verführungskunst und helles Entsetzen in Einklang bringen.

Großartige Schauspielerinnen haben sich an dieser kleinen, sehr effektvollen Rolle erprobt. Christiane Hörbiger, Senta Berger und Sunnyi Melles sind bis heute stilprägend, weil sie der Nebenrolle Glamour und Eleganz verliehen.

Damals allerdings war die "Jedermann"-Darbietung noch weniger mit Promi-Gedöns verbunden und eher ein Fall fürs Feuilleton als für die Klatschspalten. Als Lebemänner brillierten Charaktere wie Curd Jürgens, Maximilian Schell, Klaus Maria Brandauer, Ulrich Tukur und nun schon seit sechs Jahren Peter Simonischek.

Immer mal wieder fühlten sich die Darstellerinnen etwas an die Wand gedrängt. Sophie Rois, vor zehn Jahren selbst eine selbstbewusste Buhlschaft, lästerte über den "Titten-Fetischismus" der Salzburger Gesellschaft.

Viel kommt auf das richtige Dekolletee an, auch das Kleid muss richtig rauschen, jede Bewegung der Darstellerin umschmeicheln. Das Publikum staunt und ist ergriffen, die Kritiker gelangweilt, immer wieder aufs Neue, Jahr für Jahr, Buhlschaft für Buhlschaft. Und eines ist sicher: In die Hölle muss der reiche Mann alleine - seine Geliebte hat die Bühne längst verlassen.

© SZ vom 26.07.2008/mst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: