Russland:Lars Eidinger ein Satanist?

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Der Film "Matilda" über die Liebe des letzten Zaren war den Konservativen in Russland schon immer ein Dorn im Auge. Im Oktober kommt der Film in die Kinos, aber vorher flogen Molotow-Cocktails . Und der deutsche Zarendarsteller hat eine erbitterte Feindin.

Von Julian Hans

Vier Wochen vor dem Start des Films "Mathilde" über den letzten russischen Zaren steigern sich nationalistisch-orthodoxe Gegner des Werks zu immer heftigeren Angriffen gegen seine Macher. In der Nacht zu Donnerstag warfen Unbekannte einen Molotowcocktail auf das Studio des Regisseurs Alexej Utschitel in Sankt Petersburg. Weil die Fenster zur Schallisolierung von innen zugemauert waren, sei kein größerer Schaden entstanden, berichteten örtliche Medien.

Der Angriff erfolgte am Geburtstag des Regisseurs. "Mathilde", auf Russisch "Matilda", handelt von der Liebschaft zwischen Nikolaus II. und der Ballerina Matilda Kschessinskaja. Kschessinskaja wurde am 31. August geboren. Utschitel bat die Polizei und den Geheimdienst FSB öffentlich darum, die Ermittlungen ernst zu nehmen. Kinobetreiber hatten in den vergangenen Wochen anonyme Briefe erhalten, in denen die Absender drohten, "alle Kinos in Russland anzuzünden". Eine Belohnung von um die 100 Euro pro Kino wurde ausgelobt. Auf seine Anzeigen habe die Polizei bisher nicht reagiert, klagte Utschitel. In Deutschland soll der Film im November in die Kinos kommen.

Die orthodoxe Kirche hatte Nikolaus II. und seine Familie im Jahr 2000 heiliggesprochen. Ihre Ermordung durch die Bolschewiki im Jahr 1918 wurde als Märtyrertod gedeutet.

Die Abgeordnete war als sexy Staatsanwältin von der Krim bekannt. Nun hat sie neue Ziele

Der Regisseur Alexej Utschitel ist kein Dissident. Im Frühjahr 2014 gehörte er zu den Unterzeichnern eines offenen Briefs, in dem russische Künstler und Intellektuelle am Vortag der Krim-Annexion ihre Unterstützung für die Politik von Präsident Wladimir Putin bekundeten. Obwohl von Utschitels Film bisher nur ein Trailer erschienen ist, laufen orthodoxe Fanatiker seit einem Jahr Sturm gegen seine Aufführung. Das russische Kulturministerium folgte zwar den zahlreichen Anträgen nicht, den Film zu verbieten. Aber einzelne Regionen Russlands führten eigene Einschränkungen ein. Ausgerechnet die Regierungen der russischen Kaukasus-Republiken Dagestan und Inguschetien kündigten an, "Matilda" nicht zu zeigen. Zaren und orthodoxe Heilige spielen in den muslimischen Regionen sonst eigentlich keine große Rolle.

An der Spitze der Gegner steht die Duma-Abgeordnete Natalia Poklonskaja. Bevor sie vor einem Jahr ins Parlament gewählt wurde, war sie als sexy Staatsanwältin von der Krim bekannt. Nun führt sie als Tugendwächterin einen regelrechten Feldzug gegen den Film - und den deutschen Schauspieler Lars Eidinger, der den Zaren spielt.

Mit großem Eifer hat Poklonskaja das Schaffen Eidingers studiert und verfolgt jede seiner Regungen auf Facebook. In Interviews mit russischen Medien führte sie als Argument gegen den Film ins Feld, dass Eidinger sich einmal eine Wurst in den Hintern gesteckt habe. Diese Woche versuchte sie darzulegen, Eidinger sei Satanist. Ihr eigener Glaube geht so weit, dass sie einmal behauptete, eine Statue Nikolaus II. auf der Krim habe geweint. Eine kirchliche Kommission konnte dies nicht bestätigen.

© SZ vom 02.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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