Russland:"Die Freiheit, Putin zu lieben"

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Russlands Präsident lenkt die Medien seines Landes.

Tomas Avenarius

Boris Jelzin mag eine Menge falsch gemacht haben in seiner Amtszeit. Doch die meisten Kritiker gestehen zu: Der erste Präsident des demokratischen Russlands hat die Medienfreiheit Ernst genommen.

Seinem Nachfolger kann man dies kaum unterstellen. Unter Wladimir Putin haben die russischen Medien ihre Rolle als "vierte Gewalt" im westlichen Sinne verloren.

Hauptansatzpunkt der Putinschen Politik, die mehr der Medienkontrolle und Medienlenkung gleichkommt als der klassischen Zensur, ist das Fernsehen.

Während Tageszeitungen kleine Auflagen haben, erreichen einige TV-Stationen fast das gesamte russische Publikum. Hier findet Meinungsbildung statt. Gab es unter Jelzin eine Reihe privater TV-Stationen, die verschiedenen Medienmoguln gehörten und meist in Opposition zum Kreml handelten, hat Putin diesen Oligarchen die Kontrolle über ihre Sender entzogen.

TV-Anstalten wie NTW wurden auf rechtlich fragwürdige Weise auf Linie gebracht.

Das abschreckendste Beispiel ist der Tschetschenien-Krieg: Das russische Fernsehen vermittelt ein einseitiges Bild des Konflikts. Grundsätzliche Kritik ist im Fernsehen unmöglich geworden.

Übertretungen wie etwa kritische Berichte über die Geiselnahme im Moskauer Musicaltheater werden harsch gerügt. Die Zeitungen werden ebenfalls gelenkt, wenn auch weniger rigide.

Die Zeitungsjournalistin Anna Politkowskaja sagt: "Die Meinungsfreiheit in meinem Land, das ist die Freiheit, Putin zu lieben."

Putins Politik lässt sich als "begrenzte Medienfreiheit in der gelenkten Demokratie" bezeichnen. Anlass, aber auch willkommener Vorwand war das von politisierten Geschäftsinteressen gekennzeichnete Verhalten von Medienbaronen wie Boris Beresowskij oder Wladimir Gussinskij, die sich zeitweise als die Herren im Kreml darstellten.

Pawel Gutjontow, Chef des Moskauer Journalistenverbandes beschrieb die Konsequenzen von Putins Politik so: "Beim Kampf darum, Ordnung im Land zu schaffen, haben wir die gesamte oppositionelle Presse verloren."

Die Russen nehmen dies hin. Den meisten ist die Idee fremd, dass Medien die Regierung frei, aber verantwortlich kritisieren. Die Vorstellung von Sendern und Blättern, die die Rechte des Bürgers vertreten hat sich nur bei wenigen durchgesetzt.

Dazu kommt, dass die großen Tageszeitungen vor allem in Moskau oder Petersburg vertrieben werden. Die Zeitungslandschaft in der Provinz ist weit weniger vielfältig; der Druck der Gouverneure ist unverhohlen, die meisten Journalisten sind Hofschreiber.

(sueddeutsche.de)

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