Religion für Kinder:Es geht ums Wort

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Eine neue Kinderbibel, poetisch, mit traumhaften Bildern. Die die Überlieferung so erzählt, dass sie für Kinder verständlich und doch nicht kindertümelnd ist. Wunderbar begleitet durch zeitgemäße Illustrationen.

Von Matthias Drobinski

Diese Kinderbibel beginnt mit einer Frechheit: "Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott" steht da. Das steht nun nicht vorne in der hebräischen Bibel, dem Alten Testament, sondern im Johannesevangelium. Man kann das als Willkür kritisieren. Man kann aber auch sagen: Jeder Autor, der die Bibel für Kinder nacherzählt, muss formen, gestalten, weglassen. Zu viele Schichten, Geschichten und Stränge verweben sich in der großen Erzählung von Gott. So gesehen spricht nichts dagegen, gleich am Anfang zu erklären: Es geht ums Wort, ums Erzählen; die Bibel ist ein erzählendes Buch.

Der Erzähler ist Heinz Janisch aus Wien, der Schriftsteller, Kinderbuchautor und Lyriker, und er macht seine Sache gut. Er traut der eigenen Kraft der Geschichten, von der Erschaffung der Welt und dem Verlust des Paradieses, über Noah, Josef, Moses, David; über Jesus' Leben, Tod und Auferstehung bis zu den Reisen des Apostels Paulus. Im Bild vom strahlenden himmlischen Jerusalem aus der Apokalypse schließt sich der Kreis. Janisch vereinfacht die biblischen Geschichten nicht über Gebühr und schmückt sie nicht unnötig aus; seine Sprache ist einfach und doch poetisch. Er unterfordert die Kinder nicht, wie das manchmal bei Kinderbibeln passiert. Auch Erwachsene können hier in zwei Stunden Lesezeit sich den großen Bogen der Bibel ins Gedächtnis rufen, ohne sich am Ende intellektuell beleidigt zu fühlen.

Die Auswahl hat natürlich ihre Grenzen. Die Psalmen des Volkes Israel bleiben unerwähnt, als einziger Prophet taucht Jesaja auf. Man erfährt auch nicht, dass es ein Vaterunser gibt, das Grundgebet der Christenheit, das Jesus seine Jünger lehrte. Es fehlt die Auseinandersetzung mit schwierigen Bibelstellen; der Preis der poetischen Perspektive ist der Mangel an kritischer Auseinandersetzung, die Kinder durchaus suchen - und lernen sollten. Das Buch, entstanden immerhin gemeinsam mit der Deutschen Bibelgesellschaft, ist eine erste Begegnung mit den Geschichten, ohne die die Kultur der christlichen Welt nicht zu verstehen ist. Es ist aber eine Begegnung, die Neugier auf mehr weckt.

Große Freude kann man an den Bildern haben, die das Buch illustrieren und die von der Wiener Illustratorin Lisbeth Zwerger stammen. Sie schaffen eine traumhaft eigene Welt, sie spielen mit der Kunstgeschichte, wenn Michelangelos Schöpfer-Zeigefinger den Leoparden trifft, der sich daraufhin materialisiert und höchst verdutzt schaut. Sie schweben durch die Räume und Zeiten; Josefs Brüder stürzen sich auf den Außenseiter wie eine mobbende Schulklasse, Moses zieht als bepackter Migrant Richtung gelobtes Land. Die Weisen aus dem Morgenland knien in einem kahlen Raum vor einer jungen Frau im roten Kleid mit flachen Schuhen, das Jesuskind im hellblauen Strampler. Der einsame Jesus im Garten Gethsemane wirkt wie von Caspar David Friedrich hineingesetzt. Bilder, die jenseits der Kinderbibel-Klischees ihre ganz eigenen Geschichten erzählen.

Heinz Janisch : Geschichten aus der Bibel. Mit Bildern von Lisbeth Zwerger. NordSüd, Deutsche Bibelgesellschaft 2016. 142 Seiten, 21,99 Euro.

© SZ vom 19.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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