Reiseabenteuer:Miss Pawlowa fährt im Rolls-Royce

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Was durchaus ungewöhnlich ist, denn es handelt sich bei ihr um ein Eselfohlen, das mit Mister B. von Peschawar bis nach Wimbledon reist und eine Menge ungewöhnlicher Abenteuer erlebt.

Von Knud von Harbou

Mister B, ein drahtiger kleiner Mann von fünfzig Jahren mit weißem Haar, saß auf dem Rücksitz eines großen weißen Landrover, als er den Esel sah." Inmitten des chaotischen Berufsverkehrs der nordpakistanischen Stadt Peschawar erbarmt er sich eines nur wenige Monate alten Eselfohlens, das noch viel zu jung zum Tragen schwerer Lasten war.

Mr B sollte eigentlich einen Film über die Gründung Pakistans drehen, entfremdete sich aber von seinem jungen Team. So sehr, dass er entschlossen nur das Nötigste packte, um seinen ungläubigen Kollegen mitzuteilen, dass er eine kleine Eselin gefunden habe und mit ihr nach Hause gehe: nach London. Immerhin knapp sechseinhalbtausend Kilometer. Eine Flugreise scheide aus, welche Fluggesellschaft wolle schon einen Esel transportieren.

Der eisige Nachtwind aus dem Himalaja markiert den Beginn dieses ungewöhnlichen Vorhabens, für das sich ungeahnte Hilfen auftun. Ein alter Apotheker, der die kleine Eselin mit Futter und schützenden Decken versorgt und sogar einen maroden Armeetransporter organisiert. Und so beginnt die abenteuerliche Reise von Mr B und der kleinen Miss Pawlowa, wie er die Eselin wegen ihrer langen Beine in Erinnerung an die legendäre Ballerina Anna Pawlowa nennt. Sie führt durch den Südwesten Pakistans, quer durch Iran, die Türkei, Griechenland, den Balkan nach Deutschland und Frankreich bis nach England. Eingebunden ist die Story natürlich in viele pittoreske Episoden, deren zum Teil klischeeartige Darstellungen dank des sehr britischen Humors aber nicht stören. So tauchen auf ein tierlieber Drogenkurier, korrupte Grenzer, ein Dichter, persische Teppichhändler. Aus einem türkischen Gefängnis, in dem er wegen illegalen Grenzübertritts einsitzt, befreit ihn der englische Botschafter, nicht ohne dass dem Leser der landschaftliche Reiz Kappadokiens vermittelt wird. Es schließt sich eine Eisenbahnreise durch Nordgriechenland an, eine kurze Trampepisode - die man sich so vorstellen muss: älterer Mann steht an der Straße, hält die Leine eines kleinen Esels und winkt mit einem Schild "nach London"- wird abgelöst durch den Transport mit einem feudalen Rolls-Royce. Dann die Übernachtungen in einem kroatischen Kloster und der clevere Schmuggel des Eselchens über den Ärmelkanal, bis beide endlich ihr Ziel, eine herrschaftliche Villa in Wimbledon erreichen. Dort überlebt das Tier sogar noch seinen Herrn.

Der berühmte englische Kunstkritiker Brian Sewell schrieb im Alter von 83 Jahren diese allegorische Erzählung über unsere persönliche Verantwortung für die Umwelt, verbunden mit dem Appell an mehr Mitgefühl und Einfühlung. Gleichzeitig ist sie eine Art geografischer, kulturhistorischer Crashkurs. Sie wendet sich an Kinder wie Erwachsene. Die reizvollen Vignetten fügen sich gut in das tiefst berührende Lesevergnügen über die Freundschaft zu der kleinen Eselin. (ab 12 Jahre)

Brian Sewell: Pawlowa oder Wie man eine Eselin um die halbe Welt schmuggelt. Aus dem Englischen von Claudia Feldmann. Mit Illustrationen von Sally Ann Lasson. Insel Verlag, Berlin 2017. 174 Seiten, 14 Euro.

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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