Recht und Technik:Die künstliche Intelligenz ist ein genialer Künstler

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Wenn Maschinen eigenständig Gedichte schreiben und Bilder malen, muss man ihnen auch die üblichen Urheberrechte zubilligen.

Von Adrian Lobe

Was haben der Elefant Suda und der Roboter e-David gemeinsam? Sie können beide malen. Während der Elefant seinen Rüssel benutzt, setzt der Roboter einen Greifarm ein, mit dem er - allerdings mit maschineller Präzision - abstrakte Bilder malt. In Thailand gibt es dagegen Artistenschulen, in denen Dompteure den Elefanten das Malen beibringen, was jedoch tierschutzrechtlich bedenklich ist: Die jungen Dickhäuter werden gequält, ausgehungert und gedrillt, damit sie zur Belustigung der Touristen den Pinsel schwingen. Dagegen ist es wohl ethisch vertretbarer, einem maschinell lernenden Algorithmus statt einem Tier das Malen beizubringen.

Im Jahr 2011 ließ der Naturfotograf David Slater seine Kameraausrüstung unbeaufsichtigt im indonesischen Regenwald zurück. Daraufhin schnappte sich ein Schopfmakaken-Männchen seine Kamera und drückte auf den Auslöser. Dieses "Affen-Selfie" wurde berühmt, in sozialen Medien tausendfach geteilt, es machte den Primaten weltberühmt. Ein Wikipedia-Editor lud dieses so berühmte Bild in die freie Bilderdatenbank der Netz-Enzyklopädie, als ein gemeinfreies Werk, das urheberrechtlich nicht geschützt ist. Begründung: Bei dem Affen-Selfie handele es sich um die "Arbeit eines nichtmenschlichen Tiers", an dem kein menschlicher Autor Urheberrechte beanspruchen könne.

Daraufhin entbrannte Streit zwischen der Wikimedia Foundation und dem Wildtierfotografen, der das Copyright an dem Bild für sich reklamierte - obwohl er selbst gar nicht das Foto gemacht hatte.

Die Tierschutzorganisation Peta, die sich als Anwalt des Affen gerierte, zerrte Fotograf Slater vor Gericht. Der bizarre Streit kulminierte in der Frage, wer denn Urheberrechte an dem Affenbild hält. In einem Vergleich einigten sich beide Seiten zunächst darauf, Erlöse aus dem Bild aufzuteilen. Im April entschied ein US-Berufungsgericht, dass der Affe kein Recht am eigenen Bild habe. Tiere haben keine Rechtspersönlichkeit. Und können auch keine Rechte am "eigenen" Werk in Anspruch nehmen. Gilt das "automatisch" nun auch für künstliche Intelligenzen (KI)?

"The Next Rembrandt" malt, als hätte der niederländische Maler zum Pinsel gegriffen

KI-Systeme haben sich nicht nur bei der Lösung von Rechenoperationen und Bewältigung komplexer Spielsituationen bei Schach und Go hervorgetan, sondern auch in kreativen Bereichen. Algorithmen malen eben jetzt auch Bilder, sie schreiben Gedichte und machen Musik. Im März 2016 schaffte es ein gemeinsam von Forschern und einem KI-System verfasster Roman in die zweite Runde eines japanischen Literaturwettbewerbs. Eine Google-KI hat Töne und Akkorde kreiert, die noch nie ein menschliches Ohr zuvor gehört hat. Und das Projekt "The Next Rembrandt" hat mithilfe eines Algorithmus und aufwendigen 3-D-Druck-Verfahrens eine im Stil perfekte Nachahmung kreiert, so als hätte es der niederländische Maler selbst geschaffen.

Die Frage in allen Fällen lautet: Wem gebührt das Recht am geistigen Eigentum? In Paragraf 7 des Urheberrechtsgesetzes heißt es: "Urheber ist der Schöpfer des Werkes." Urheberrechte können jedoch nur von Menschen in Anspruch genommen werden. Als Werke definiert das Gesetz ausschließlich "persönliche geistige Schöpfungen", wobei für den urheberrechtlichen Schutz eine gewisse "Schöpfungshöhe" verlangt wird. Gerade noch geschützt sind Telefonbücher und Newsticker, keinen Urheberrechtsschutz genießen dagegen Handy-Logos oder anwaltliche Schriftsätze, in denen der BGH eine "mechanisch-technische Aneinanderreihung des Materials" erblickt. Bei Bildern ist dies anders. Das Gekritzel eines Kindes ist genauso schutzwürdig wie das Meisterwerk eines Malers. Was passiert jedoch, wenn das Werk nicht von Menschenhand, sondern von einer Maschine geschaffen wurde? Kann geistlose künstliche Intelligenz überhaupt etwas Geistiges schöpfen?

Der Primat, der auf den Auslöser drückt, oder der Elefant, der mit seinem Rüssel einen Pinsel schwingt, verarbeitet Informationen seiner Umwelt weitgehend autonom. Eine Maschine führt dagegen mechanisch das aus, wozu sie programmiert wurde. Der Analogieschluss vom Tier zur Maschine geht daher fehl. Beim Projekt The Next Rembrandt wurde der maschinell lernende Algorithmus mit 350 Originalwerken des niederländischen Künstlers gefüttert.

Die Mathematikerin Ada Lovelace sagte schon Mitte des 19. Jahrhunderts zur mechanischen Rechenmaschine des Computerpioniers Charles Babbage: "Die Analytical Engine hat keinen Anspruch, irgendetwas neu zu erschaffen." Das regelbasierte, deterministische Vorgehen der Maschine widerspricht unserer Vorstellung von Kreativität. Wenn aber das "Werk" der Maschine keine Schöpfung ist, soll das Schöpferische dann allein in der Formulierung einer Programmiervorschrift bestehen, die solche "Werke" schaffen lässt? Oder liegt der schöpferische Gehalt nicht doch auch im kreativen Sampeln bestehender Werke? Je höher die Schöpfungshöhe, je größer die Originalität des Werks, desto schutzwürdiger erscheint der Beitrag des Computers.

Es gibt daher Überlegungen, auch algorithmische Kompositionen zu schützen und das Urheberrecht auf Maschinen auszuweiten. Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat einen Entwurf vorgelegt, nach dem Roboter als "elektronische Personen" klassifiziert werden und ihnen Rechte und Pflichten zugewiesen werden können. Es wird darin ein Kriterienkatalog für deren urheberrechtsschutzfähige Arbeiten gefordert. Die amerikanische Rechtswissenschaftlerin Margot E. Kaminski hat das Konzept der "algorithmischen Autorenschaft" als neuen dogmatischen Ansatz entwickelt, der in den Werkbegriff auch maschinelle Praktiken einbezieht.

Die Literatur- und Kunstgeschichte kennt Sampeln und Kopieren seit je. Schon Balzac sah sich mit Vorwürfen konfrontiert, seine " Comédie humaine" sei ein Plagiat von Homers Odyssee. Der Autor, schrieb der italienische Schriftsteller Italo Calvino Mitte des 20. Jahrhunderts in seinem Aufsatz "Cibernetica e fantasmi", sei eine schreibende Maschine, eine macchina scrivente, er folge den Regeln anderer Autoren. Die wahre Literaturmaschine, schrieb er, "wird eine sein, die selbst das Bedürfnis verspürt, Unordnung zu produzieren, als Reaktion auf die vorhergehende Produktion von Ordnung". Calvinos Figur der Textmaschine ist die radikale Dekonstruktion des Autors, den Roland Barthes in seinem Aufsatz "Tod des Autors" (1967) dann literaturtheoretisch beerdigte.

Wenn man Wellen-Muster am Strand ausradiert, ist das dann die Zensur des Meeres?

Die Idee, ein unveränderliches Original einem Urheber zuzuweisen, ist historisch betrachtet recht jung und kam erst mit der Eigentumstheorie von John Locke im 17. Jahrhundert auf. Das Urheberrecht sah sich geschichtlich immer Widerständen ausgesetzt: Der Libertarismus sieht Ideen grundsätzlich als nicht eigentumsfähig an, der Kommunitarismus moniert, das Rechtsregime verkenne die kollektive Natur von Kreativität. Insofern überrascht es, dass das brüchige Konzept nun neu aufgelegt werden soll.

Sinn und Zweck des Urheberrechts ist, dass man die Arbeit eines Künstlers schützt und verhindert, dass sich jemand an dessen Material bedient. Man schützt also den Schöpfer. Eine algorithmische Autorenschaft wäre nach Ansicht einiger US-Rechtsgelehrter systemwidrig, weil es den menschlichen Urheber von seinem Werk entfremdet. Das wichtigste Argument gegen die extensive Auslegung ist ein kulturelles: Malen und Schreiben sind jahrtausendealte Kulturtechniken des Menschen. Wenn man Maschinen ein Urheberrecht konzedierte, würde man implizit eingestehen, dass Kreativität keine genuin menschliche Domäne ist.

Das praktische Problem besteht darin, dass man bei Koproduktionen zwischen Mensch und Maschine die Beiträge zur Schöpfung nicht auseinanderdividieren kann. Wer schreibt bei einem Schreibroboter? Der Algorithmus, der automatisch Texte generiert? Oder der Programmierer, der den Code schreibt? Vielleicht verliert sich das Prinzip der Autorenschaft, wie Barthes andeutete, in einem Meer aus Zeichen und Codes. Vielleicht muss man aber auch darüber nachdenken, das Urheberrecht nun ganz anderen Entitäten einzuräumen.

Der Robotik-Rechtler Ryan Calo hat dazu ein interessantes Gedankenexperiment entwickelt: Angenommen, der Wellengang des Meeres würde in den Sand Muster formen, die der Mensch als verletzend oder diffamierend empfindet (zum Beispiel Hakenkreuze oder Schmähbegriffe). Wenn der Staat diese Muster ausradierte, würde hier die Natur in ihrer Kreativität zensiert? Das klingt abwegig, zeigt aber, wohin ein weites Verständnis führen kann. Wenn man Naturschutz als Recht auf Nichteinmischung und Ursprünglichkeit definierte, wäre den kreativen Affen und Elefanten wohl am meisten gedient.

© SZ vom 15.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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