Rauch oder Nichtrauch:Nicht geeignet für Raucher unter 80 Jahren

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Der Kampf ums Rauchen hat noch keinen eindeutigen Sieger hervorgebracht. Das Schlachtfeld wurde nur verlegt - und es gibt schon ein neues.

Gottfried Knapp

Der folgende Text ist für Raucher unter 80 Jahren nicht geeignet. Allerdings wird diese Warnung wenig bewirken. Denn Raucher unter 80 sind wie Kinder unter 16: Sie tun mit besonderer Vorliebe das, wovor sie gewarnt werden. Kinder sehen am liebsten Filme, in denen es mörderisch zugeht; und Raucher nehmen am liebsten Dinge zu sich, die laut Aufschrift tödlich sind.

Allerdings können Raucher ihren allmählichen Selbstmord seit Januar nicht mehr überall zelebrieren. Frauen, die früher in Cafés dauergeraucht haben, um ihren Appetit abzutöten, müssen zum Essenverhindern nun vor die Tür gehen. Wie weit sich das auf das Gesamtgewicht der Deutschen auswirkt, ist derzeit noch nicht erforscht.

In guten Speiserestaurants bleibt einem nun jedenfalls der Anblick von Leuten erspart, denen außer Zigaretten nichts schmeckt, die missmutig Speisekarten studieren, trotzig weiterrauchen, wenn der erste Gang serviert wird, ja das Kauen und Schlürfen offenbar als lästige Unterbrechung des süchtig genossenen Inhalier- und Hustenrituals empfinden.

Angst

Zugegeben: Dass Raucher, wenn es über sie kommt, den Saal verlassen müssen, also bei Wind und Wetter vor die Tür gejagt werden, ist eine etwas drastische Form des Strafvollzugs: Ähnlich demonstrativ werden beim Fußball Blutgrätscher vom Platz gestellt.

Viele Raucher scheinen die ihnen vom Gesetzgeber gezeigte Rote Karte denn auch wie eine Demütigung zu empfinden: Anstatt im Freien locker ein paar Schritte zu gehen und frische Luft zu schnappen, klumpen sie sich wie getretene Hunde direkt vor der Tür so eng zusammen, dass der produzierte blaue Dunst dem Nichtraucher, der sich durch die Menschentraube ins Lokal durchkämpfen will, wie eine Schwingtür ins Gesicht schlägt.

Im Kampf zwischen Rauchern und Nichtrauchern gibt es also auch nach den jüngsten Verboten noch keine eindeutigen Sieger. Das Schlachtfeld wurde nur aus den Sälen ins Freie verlegt. In Straßencafés und Biergärten, wo bei leichtem Luftzug die Rauchschwaden viel direkter in die Nasen der Nachbarn ziehen, rächen sich die Raucher gründlich für die erlittene Schmach. Aus Angst, ihr Nikotinspiegel könnte lebensgefährlich absinken, ziehen sie hier ihr Vergiftungsprogramm ohne Unterbrechung durch.

Derzeit können sich die öffentlich ausgesperrten Raucher noch als Märtyrer gerieren. Doch irgendwann werden die Deutschen mit Schauder an die Zeit zurückdenken, als eine rauchende Minderheit den Rest der Bevölkerung in öffentlichen Räumen mit nachweislich giftigen, übelriechenden Winden beliebig terrorisieren durfte, ohne Strafen befürchten zu müssen. Das eigentliche Demütigende für die Nichtraucher war damals aber weniger die exhalatorische Aggression der Raucher als der Frust, nicht ähnlich aggressiv zurückstinken zu können.

Gnade!

In den Zügen der Bahn haben Nikotinisten ihr Ritual schon vor einiger Zeit einstellen müssen. Der olfaktorische Terror ist dort also gebannt; dem akustischen Terror durch Handybesitzer aber ist man weiterhin gnadenlos ausgesetzt.

Mit der gleichen Selbstzufriedenheit, mit der Raucher die Abgase eines Verbrennungsvorgangs ihren Zugnachbarn ins Gesicht geblasen haben, trompeten heute Handybesitzer die niederschmetternden Banalitäten, die das Gerät ihren Hirnen entlockt, den Mitreisenden in die Ohren. Da bellt einer, der wohl seine Sekretärin meint, eine halbe Stunde lang Unverschämtheiten in den Mittelgang hinein. Ein anderer kriegt sich nicht mehr ein vor Lachen über all die komischen Menschen, die er getroffen hat. Ein dritter gestaltet mit Sprachtrümmern wie "geil", "super" und "ok" eine Solonummer, die von Hamburg bis Kassel reicht.

Wer da nicht zum Mörder werden will, muss sich selbst entleiben. Dem Rauchverbot muss also schleunigst ein Handyverbot folgen, ein Gesetz, das die akustische Verschmutzung der Gemeinschaftsräume verbietet.

© SZ vom 24.6.2008/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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