Rasur-Kultur (2):Der Mann - die Krone der Erschöpfung

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Rein flächenmäßig nimmt sich die Aufgabe, ein Frauenbein zu epilieren gegen eine Kinnrasur so aus wie das Mähen eines Kolchosenfeldes gegen einmal Vorgartentrimmen. Die Frauen aber machen das irgendwann nebenher - und damit hats sichs.

Alex Rühle

Wenn man all diese Ergüsse über die routinemäßige Pflege von 20 Quadratzentimetern Haut liest, drängt sich die Frage auf, wie die Welt aussähe, wenn es die Männer wären, die alle vier Wochen eine Periode hätten.

Wahrscheinlich gäbe es eigene Kliniken, in die wir Monat für Monat mit Blaulicht eingeliefert werden würden. Am ersten Tag dürfte uns gar niemand besuchen, so dramatisch wär das alles, aber am zweiten Tag kämen unsere Frauen samt Kinderschar ans Krankenlager geeilt, voller Mitgefühl für die furchtbaren Krämpfe. Selbstverständlich wären wir acht bis zehn Tage krankgeschrieben. Jeder würde verstehen, dass man keine milliardenschweren Forschungsprogramme für die Bekämpfung von Krebs und Aids auflegen kann, denn erst müsste ja diese schrecklichste aller Krankheiten, die Männstruation, besiegt werden.

Wenn Bush und Sarkozy in Heiligendamm ihre Tage bekommen hätten, hätte Merkel selbstverständlich das ganze Treffen um vier Tage verlängert. In den Mythen könnte man nachlesen, dass die Periode das Zeichen dafür ist, dass jeder Mann der Heiland ist, da er sich opfert und sein Blut für die Menschheit gibt. Und das Gebären wär selbstverständlich längst abgeschafft, das hält ja kein Mann aus.

Wie aber sieht die Welt aus? Die Frauen kriegen ihre Tage und erscheinen trotzdem zur Arbeit. In Amerika sitzen sie am Tag nach der Geburt ihres ersten Kindes wieder im Büro. Und sind dann auch noch frisch rasiert, ohne ein Wort über das Eine oder das Andere zu verlieren.

Jede Frau, die nicht als troglodytischer Bauerntrampel gelten will, muss sich heute zweimal die Woche an Beinen und Achseln die Haare entfernen. Rein flächenmäßig nimmt sich die Aufgabe, ein Frauenbein zu epilieren gegen eine Kinnrasur so aus wie das Mähen eines Kolchosenfeldes gegen einmal Vorgartentrimmen. Die Frauen aber machen das irgendwann nebenher und damit hats sichs. Das Argument, die Beine zu rasieren sei längst nicht eine solche Herausforderung wie die Kinnrasur, ist lächerlich, denn die Frauen müssen, wenns gut sein soll, auch noch die Härchen auf den Zehen entfernen, bei der Aufgabe würde jeder zweite Mann wahrscheinlich nach kürzester Zeit mit Stümmelfüßen durchs Leben stolpern.

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