Programme großer Häuser:Gefragte Zeitgenossen

Lesezeit: 4 min

Werke von Gerhard Richter, Georg Baselitz und Markus Lüpertz zählen zwischen Wien und Berlin zu den Hauptlosen der Frühjahrsauktionen.

Von Dorothea Baumer

Berlin, Köln, München und Wien sind in den nächsten Wochen die Schauplätze der großen Frühjahrsauktionen moderner und zeitgenössischer Kunst. An Material, so scheint es, herrscht kein Mangel, nimmt man die umfänglichen und vielpfündigen Kataloge zum Maßstab. Ob das Repertoire auch den Sammlergeschmack und auf Investitionsbereitschaft trifft? Das Angebot bewegt sich insgesamt auf höchst soliden Preishöhen. Das einzige Millionen-Los der Saison bietet Ketterer: ein expressives Kandinsky-Gemälde aus der frühen Murnauer Zeit, eine Wiederentdeckung mit Erwartungen von 1,5 bis 2,5 Millionen Euro.

Eröffnet wird die Auktionsserie am 29. Mai bei Van Ham mit einer üppigen Offerte. Mit Zero-Kunst und insbesondere zwei der begehrten Nagelbilder Günther Ueckers - einer dynamischen Formation, "Wind" von 1997 und einer größeren "Spirale" (2001), taxiert auf 400 000 und 500 000 Euro - setzt das Haus den Akzent entschieden auf die Nachkriegskunst. Gerhard Richter ist mit einem der seriellen "Fuji"-Bilder präsent (300 000). Für ein Großformat von Günther Förg von 2004 ("Tupfenbilder") reichen die Erwartungen inzwischen bis 200 000 Euro, für eine der schwarz patinierten Bronzen aus geschichteten Rundformen, "Eye to Eye" (2005), des derzeitigen Marktlieblings Tony Cragg bis 240 000 Euro. Die rund 130 zeitgenössischen Arbeiten der Sammlung SOR-Rusche dürften viel neues Publikum anlocken. Hauptlos der Moderne ist ein Scheibenbild von Ernst Wilhelm Nay, "Chorisch Grau", aus dem Nachlass des Kölner Galeristen G.F. Reinz (1960, 300 000 Euro).

Lempertz bietet eine Collage und eine Marktszene von Kurt Schwitters an

Villa Grisebachs Expressionisten-Aufgebot der Abendauktion "Ausgewählte Werke" am 30. Mai beschränkt sich im Wesentlichen auf Arbeiten von Hermann Max Pechstein, Karl Schmidt-Rottluff und Gabriele Münter. Mit der höchsten Taxe von 500 000 Euro geht ein kubistisch inspiriertes "Stillleben in Grau" von Pechstein aus dem Nach-Brücke-Jahr 1913 in den Wettbewerb. 1937 malte Schmidt-Rottluff den ebenso farbstarken wie unverfänglichen Blick auf eine "Fischräucherei" (400 000). Eine frühe Murnau-Landschaft mit "Heuhocken" aus dem Jahr 1909 steuert Münter bei (350 000). Ungewöhnlicher nimmt sich ein rätselhaftes "Dryaden"-Motiv von Paul Klee aus, 1939, im Jahr vor seinem Tod entstanden (400 000). Und geradezu monumental wirkt die neusachliche Pastorale "Mädchen mit Schafen" von Georg Schrimpf (1923, 180 000). Bei den Zeitgenossen warten ein weiteres Exemplar aus Richters "Fuji"-Serie und zwei weitere Skulpturen von Tony Cragg.

Ein gänzlich anderes Programm fährt Lempertz einen Tag später. Zwei Werke von Kurt Schwitters verdienen alle Aufmerksamkeit. Da ist zum einen aus dem Spätwerk eine vielteilige, teils mit Öl übermalte Collage (1942/45), angesetzt mit 300 000 Euro, zum anderen das 1926/36 datierte, konstruktive "Gustav Finzlerbild", dem wohl zu Recht einige Wirkung auf die amerikanische Hard-Edge-Malerei attestiert wird (400 000). Eher ein Museumsbild ist die monumentale, 125 mal 175 Zentimeter messende, in einem empfindsamen Realismus geschilderte Marktszene "Judengasse in Amsterdam" von Max Liebermann (1909, 600 000). Die Zeitgenossen-Sparte führt Gerhard Richter, von dem auch ein Aquarell zu haben wäre, mit einer kleinen feuerroten Ölskizze an (1998, 300 000), gefolgt von einem über Vier-Meter-Format in Rot-Schwarz von Günther Förg aus einer rheinischen Unternehmenssammlung (250 000), Werken der Zero-Kunst, Arbeiten von Imi Knoebel und Malerei von Katharina Grosse.

Was Bassenge unter dem Titel "Meistergraphik deutscher Klassiker" am 1. Juni versteigert, ist die Ausbeute eines ausgepichten Raritätenjägers. Der Katalog verzeichnet vierzig ungewöhnliche, seltene bis äußerst seltene Blätter. Das reicht von Georg Muches Radierung "Kosmisches Stillleben" von 1922 (3500 Euro) über Max Beckmanns Holzschnitt "Totenhaus" aus dem selben Jahr (25 000) bis zu Karl Schmidt-Rottluffs ungemein freiem Linienspiel im frühen Holzschnitt "Ziegelei bei Varel", aus dem Jahr 1909 (35 000).

Eine wie immer stark international ausgerichtete Offerte geht im Wiener Dorotheum am 4. und 5. Juni über die Bühne. Bei den Zeitgenossen sind die deutschen Künstler A.R. Penck, Markus Lüpertz und Anselm Kiefer mit Arbeiten aus den neunziger Jahren vertreten, spielen aber vor allem die Zero-Künstler eine Rolle, allen voran Günther Uecker, der auch hier mit einem quadratischen Nagelbild auf strenger Gitterstruktur, "Reihung" von 1970, das Hauptlos stellt (400 000 Euro). Wichtigster französischer Beitrag sind drei Arbeiten von Jean Dubuffet, darunter die Nachkriegs-Landschaft "Bon Espoir" (300 000). In der Moderne findet sich zwischen den führenden Figuren Paul Cézanne und Giacomo Balla, der auch von deutschen Sammlern geschätzte Tiroler Alfons Walde mit einer seiner typischen Winterlandschaften (250 000).

Die Münchner Auktionen eröffnet Karl & Faber am 5. Juni. Eins der schönsten Ernst-Wilhelm-Nay-Gemälde wird hier aufgeboten, die in satten Blautönen rhythmisierte Komposition "Blauklang", 1953 entstanden, auf mindestens 250 000 Euro geschätzt. Zu weiteren Moderne-Höhepunkten zählen ein Calla-Stillleben von Hermann Max Pechstein (1917, 180 000), ein Emil-Nolde-Aquarell aus den Dreißigern mit Schwertlilien (80 000) und ein ebenso seltenes wie farbenfroh konstruktives Frühwerk von Erich Buchholz (120 000). Zeitgenössisches am folgenden Tag steht auch hier im Zeichen der Zero-Kunst und wird angeführt von einem Hauptwerk Heinz Macks: "Dynamische Struktur Schwarz" (1959/60, 280 000).

Eine südliche Landschaft von Hans Purrmann aus den Vierzigern (30 000 Euro) neben jüngster, filmisch inspirierter Malerei von Joseph Zehrer (2017, 8000) gehört zur Mischung bei Neumeister am 7. Juni, wo zudem spezielle Papierarbeiten auffallen: Max Beckmanns frühe Lithografie mit Huren und Freiern "Ulrikusstraße in Hamburg", ein Handabzug von 1912 (20 000) oder auch Rudolf Schlichters 1917 im Aquarell abenteuerlich imaginierter "Wildwest-Saloon" (8000). Toplos der Auktion ist eine 13-teilige Skulpturengruppe absurd ausstaffierter "Nächtlicher Krieger" von Daniel Spoerri (100 000).

Ketterer feiert Jubiläum - dazu gibt es Marc und Kirchner

Mit einer opulent bestückten Abendauktion feiert Ketterer am 7. Juni das 65-jährige Bestehen. Neben Kandinskys Frühwerk "Treppe zum Schloß (Murnau)" von 1909, kommen als weitere prominente Lose von Franz Marc eine großformatige, lavierte Kohlezeichnung "Zwei Pferde" (1910/11, 300 000 Euro), von Ernst Ludwig Kirchner die verblüffend moderne Bewegungsstudie "Drehende Tänzerin" von 1931/32 zum Aufruf (300 000). Als dominierende Figur der Nachkriegskunst erscheint Ernst Wilhelm Nay, fünffach präsent (Taxen bis 250 000). Ähnlich Günther Uecker neben diversen Nagelbildern mit einem Nagelbaum als höchstbewerteter Arbeit (1988, 400 000). Ein Frühwerk aus den Sechzigern von Georg Baselitz, schwarzweißer Fotorealismus von Gerhard Richter sind ebenso zu haben wie Zeitgenössisches von Karin Kneffel und Katharina Grosse. Großformatig wie das Titelbild von Daniel Richter (2006/07, 250 000) ist diese 100-Lose-Offensive, die Engagement erwarten lässt.

© SZ vom 25.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: