PR-Strategien der Auktionshäuser:Alles wird Pop

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Sotheby's engagiert Stars wie Victoria Beckham und James Franco, um spröden Altmeistern den Glamour von Zeitgenossen zu geben. Sogar T-Shirts lässt man mit den Bildern bedrucken.

Von Astrid Mania

Andrea Mantegna ist nicht Picasso. Oder haben Sie schon einmal gehört, dass eine Zeichnung des Renaissancekünstlers einen Rekord geknackt hat? Während der jährlichen New Yorker Masters Week von Sotheby's wurde eine Studie zu Mantegnas Leinwandzyklus "Triumphzug Cäsars" für rund 11,7 Millionen Dollar zugeschlagen. US-Rekord, ja, und dennoch im Rahmen des Schätzpreises. Bei der Gemälde-Auktion am 29. Januar ragte Giovanni Battista Tiepolos Rosenkranz-Madonna heraus, die für gut 17 Millionen Dollar einen Käufer fand. Das sind gewaltige Summen, doch sie liegen weit unter den Höchstpreisen, die Werke der klassischen Moderne bringen. Aber wieso?

Am fehlenden Marketing liegt es sicher nicht. Sotheby's bemüht sich seit Jahren, den alten Meistern ein junges, hippes Image zu verleihen. In diesem Jahr ging der Masters Week eine Kooperation mit dem Streetwear-Blog Highsnobiety voraus, die sich in Gestalt einer sogenannten Capsule Collection zeigte: schwarze und weiße Hoodies und Sweatshirts, bedruckt mit Motiven der zu versteigernden Werke. Anders als bei vielen Altmeistergemälden war die Nachfrage hier riesig. Hoodies und Baseball-Mützen sind ausverkauft.

Es war nicht der erste Versuch von Sotheby's, die alten Meister mit der Modewelt kurzzuschließen. Gleich zwei Mal hatte Designerin und früheres Spice Girl Victoria Beckham schon die Ehre, eine Werkauswahl in ihrer unterkühlten Londoner Boutique zu präsentieren: so im Sommer 2018, vor der Londoner Altmeister-Auktion.

Begleitet wurde die Schau ausgesuchter Porträts von einem Video, das demonstrierte, wie gut sich zeitgenössische Designer-Kleider und historische Gemälde etwa von Lucas Cranach dem Älteren oder Peter Paul Rubens farblich aufeinander abstimmen lassen. Und natürlich fehlte nicht der Hinweis, dass es sich bei historischen Porträts um eine Vorform der heutigen Selfies handele.

Als Sotheby's im Vorjahr unter dem Titel "The Female Triumphant" eine Auktion als Hommage an Malerinnen zusammenstellte, bot sich die Zusammenarbeit mit einem Modelabel erst recht an. Wieder gab es eine Preview im Beckham'schen Laden: Kleider und Kunst von Künstlerinnen, das passt.

Wer unsicher war, wie man die Gemälde und die Outfits aus der Frühjahr-Sommer-Vorkollektion wohl kombiniert, dem half eine Slide-Show auf der Webseite des ehrwürdigen Versteigerers: Da findet sich dann neben einer bäuerlichen Szene der zu Lebzeiten überaus erfolgreichen Tiermalerin Rosa Bonheur ein luftiger Zweiteiler mit Kuhmuster-Motiv. Dass Victoria Beckham in diesem Kontext als "Modern Muse Among the Masters" bezeichnet wurde, entsprach ebenfalls perfekt der Welt des 19. Jahrhunderts.

Eigentlich ist es ein Glück, dass viele Marktteilnehmer mit den alten Meistern und ihren Themen fremdeln, trotz der unbestreitbar sinnlichen Qualitäten und mitunter betörenden Farbgebung vieler solcher Werke. Denn so bleibt die Hoffnung, dass sich öffentliche Sammlungen, wenn auch sicher nicht in Deutschland, doch noch das eine oder andere kleinere Gemälde oder Blatt leisten können. Dabei sollte sich die Kunst aus der Zeit vor der klassischen Moderne doch als solide Geldanlage geradezu anbieten. Das meiste ist kunsthistorisch abgesichert und das Angebot naturgemäß begrenzt.

"Solide" klingt aber nicht nach 21. Jahrhundert. Solide klingt nach gebohnertem Parkett, nach Kunsthändler und Banker mit Einstecktuch und Handschlag samt Verlässlichkeit. Solide klingt nicht nach Sichtbeton, Adrenalin und dynamischen Kerlen, die Slim Fit tragen. Die alten Meister sind so etwas wie die Bundesschatzbriefe auf dem Kunstmarkt. Und Letztere werden bekanntlich nicht mehr ausgegeben.

Beide Marktteilnehmer, Versteigerer wie Sammler, wollen immer mehr. Gute Ergebnisse sind im gegenwärtigen Kampf der Auktionsgiganten nicht genug. Und ein Platz in der Kunstgeschichte ist eindeutig nicht das ausschlaggebende Argument für all jene, die sich sammlerisch im Höchstpreissegment vergnügen. Ein Name, der Spätrenaissance-Experten in Verzückung versetzt, verheißt noch lange nicht die gewaltigen, und man muss immer wieder betonen, vereinzelten Wertsteigerungen, auf die viele Sammler in den letzten Jahren spekulieren und die sich vorwiegend mit überhitzter Gegenwartskunst erzielen ließen.

Und so werden andere Narrative über Werke gelegt, deren eigene Erzählungen - von ihrem Sujet, ihrer Technik, ihren Schöpfern, ihrer Historie - ungehört verhallen. Narrative aus der Popkultur, die von Mode, Glamour und Hollywood erzählen: Der übercoole Schauspieler und Künstler James Franco beispielsweise durfte 2016 ein Promovideo für Keramiken der florentinischen Bildhauerfamilie della Robbia produzieren, für das er einige der Skulpturen von Schauspielerinnen und Schauspielern nachstellen und diese mit transparentem Glibber übergießen ließ.

Gern können die alten Meister auch nach dem Schweiß von Rockmusikern riechen. So rekrutierte Sotheby's jüngst den Drummer der amerikanischen Band The Strokes, günstigerweise ein Namensvetter des britischen Kunsthändlers Fabrizio Moretti. Moretti, der Händler, wählte rund 20 Werke aus, Moretti, der Drummer, designte die Ausstellung. Bei der Auktion Ende vergangenen Jahres fanden alle Lose einen Abnehmer, meist allerdings im Rahmen der Schätzungen oder sogar leicht darunter.

Liegen also am Ende die Welten der alten Meister und des heutigen Showbiz doch (noch) zu weit auseinander, als dass sich Synergieeffekte einstellen würden? Vielleicht muss man den alten Meistern vielmehr ihre Ruhe lassen. Denn wer weiß? Womöglich erweisen sie sich in naher Zukunft als das Vinyl der Kunst, als geschätzte Augenblicke einer Gegenwelt, als kleine, sehr teure Fluchten aus einem beschleunigten, digitalen Jetzt.

© SZ vom 08.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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