Pop und Politik:Senator Kid Rock

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(Foto: Terry Renna/AP)

Der Krawallrocker Robert James "Kid Rock" Ritchie kandidiert für die Republikaner im Bundesstaat Michigan für den US-Senat. Vielleicht ist es nur ein Marketing-Gag. Doch selbst Politprofis halten einen Sieg für möglich.

Von Jürgen Schmieder

Man sollte wissen, dass Robert James Ritchie im Jahr 2003 das Lied "Cadillac Pussy" veröffentlicht hat. Der Krawallrocker mit dem Künstlernamen Kid Rock besingt, wie er ein "kleines, böses und widerspenstiges Fräulein" dazu überredet, in seinen Tourbus zu steigen, sich ihrer Kleider zu entledigen und ihren prächtigen Intimbereich zu präsentieren. Vielleicht ist es aber auch nur Zufall, dass dieser Text wie die sexistischen Prahlereien von US-Präsident Donald Trump klingt.

Ritchie, 46, nennt sich bisweilen auch "American Bad Ass" oder Zuhälter der Nation. Er wurde im April gemeinsam mit der Rechtsaußenpolitikerin Sarah Palin und Hardrocker Ted Nugent von Trump im Weißen Haus empfangen. Der Musiker, der vor fast 30 Jahren als Rocker und Rapper begann, heute eher Südstaaten-Schnulzen schmettert und mal mit Pamela Anderson verheiratet war, möchte nun offenbar im maroden Auto- und Stahl-Bundesstaat Michigan als Republikaner für den US-Senat kandidieren.

Auf seiner Kandidaten-Webseite ist er auf einem sternenbedeckten Stuhl zu sehen, neben einem ausgestopften Reh und einem Abbild von George Washington. Unter dem Foto gibt es Wahlkampf-Mützen und Wahlkampf-Schilder zu kaufen, daneben steht, was Ritchie seinen Fans bei Konzerten zuruft: "Habt Ihr Angst?"

Nun wird Ritchie in diesem Jahr eine neue Platte herausbringen und eine Restaurantkette eröffnen, deswegen liegt der Verdacht nahe, dass dies alles ein einziger Marketing-Gag ist. Der Typ, der am liebsten in Jogginghosen und Feinripp-Unterhemd auf der Bühne steht, von dem ein Sexvideo existiert und der mal stolz verkündete, noch nie in seinem Leben ein Buch gelesen zu haben, wäre nach Trump und dem Wrestler Jesse Ventura (der es immerhin zum Gouverneur von Minnesota brachte) ein weiterer Albtraum des politischen Establishments.

Am Donnerstag verkündete Ritchie allerdings: "Das ist kein Scherz, sondern Strategie. Ich muss gestehen, dass meine Gegnerin besser Politik spielen kann als ich, also tue ich das, was ich am besten kann: eine Stimme für fleißige amerikanische Steuerzahler sein, die Politikern mitteilt, dass die Leute keine Lust mehr auf diese Scheiße haben."

Dass Ritchie es tatsächlich ernst zu meinen scheint, zeigt die Reaktion seiner Gegnerin Debbie Stabenow, die 2018 zum vierten Mal für die Demokraten in den US-Senat gewählt werden möchte. Sie verschickte sogleich eine E-Mail, in der sie um Spenden für ihren Wahlkampf bittet: "Kid Rock hat angekündigt, gegen mich antreten zu wollen. Nach Donald Trumps überraschendem Sieg im vergangenen Jahr dürfen wir keine Zeit verlieren." Auch Politkommentatoren halten es für möglich, dass Kid Rock gewinnt.

In der Nacht zum Freitag veröffentlichte Ritchie zwei Musikvideos: eine Hommage an das waffenverliebte Hinterwäldler-Amerika und eine an sich selbst. Ob er damit seine Kandidatur bestätigt oder eine Tournee bewirbt, lässt sich nicht eindeutig sagen. Die Grenze zwischen Politiker und Trashpop ist derzeit eben arg verschwommen.

© SZ vom 15.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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