Möchte man vom künstlerischen Ansatz des Duos Beißpony erzählen, so spult man am besten zehn Jahre zurück und beginnt mit einer Geschichte über eine Giraffe und ein Geständnis. Im Sommer 2007 war es, als sich Stephanie Müller und Laura Theis bei einem Konzert der Sängerin Kimya Dawson in der Münchner Subkultur-Bastion Kafe Kult kennenlernten. Müller, zu dieser Zeit noch ehrenamtlich beim Kafe Kult engagiert, tat sich an diesem Abend spontan mit Dawson zusammen, indem sie Besuchern des Konzerts kleine Patches nach Comic-Vorlagen der Sängerin auf die Kleidung nähte. Laura Theis wollte eine Giraffe.
Man kam also ins Gespräch, versprach sich, in Kontakt zu bleiben, und tatsächlich fädelte Stephanie Müller alsbald Laura Theis' ersten Auftritt überhaupt ein. Im Kafe Kult. "Ich habe sie dann nach dem Konzert gefragt, ob sie Lust hätte, mit mir Musik zu machen", erzählt Stephanie Müller. Spielen könne sie aber leider nichts, fügte sie damals an. Ein Problem war das trotzdem nicht. Beruht der Ansatz der beiden doch weniger auf Perfektionismus als vielmehr auf Selbstbestimmtheit und dem Unabhängigkeitsgedanken des "Do-It-Yourself"-Ethos. "Scheiß da nix, dann feid da nix", würde der Bayer sagen. So behalf sich Stephanie Müller anfangs noch mit dem Einsatz des namensgebenden Beißponys - ein Plüschtier mit eingenähten Spielzeugautos - als perkussivem Element; erst später sollten die Nähmaschine und das Schlagzeug dazukommen.
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Und ja, das mag durchaus etwas krude wirken - und doch liegt eine Wahrhaftigkeit in den ebenso verspielten wie tiefgründigen Songs ihres Debüt-Albums "Brush Your Teeth", der man im Pop-Geschäft nur selten zuteil wird. Vier Jahre ist das jetzt her, und längst sind Beißpony zu einer Band geworden, die "mitten in einem Kollektiv vibriert", wie Stephanie Müller sagt, die als Künstlerin zu den wichtigsten Protagonistinnen der hiesigen Underground-Kultur zählt. Mit Nähmaschinen-Performances, Film-Projekten oder einer öffentlichen Recording-Session, deren Ergebnisse wiederum in eine Album-Kollaboration mit Künstlern zwischen München, Sapporo und São Paulo einflossen, ist dabei nur ein Teil dessen aufgezählt, was die Lust aufs Miteinander von Beißpony ausmacht.
Kein Wunder also, dass es für das neue Album "Beasts and Loners" eine Weile brauchte. 14 Stücke finden sich darauf, mit denen die beiden Frauen nicht zuletzt auch subtile Denkanstöße liefern wollen. Sexismus, aufkeimender Rechtspopulismus, der Rückzug ins Private, all das wird hier mit großer Chuzpe und mit Unterstützung von zahlreichen befreundeten Musikern aufs Korn genommen. Herrlich ist das, wie Laura Theis da per feministischer Umkehrung zu schmissigem Sixties-Pop in die Rolle eines frauenverführenden Pick-up-Artists schlüpft, oder die beiden die größten Haudrauf-Sprüche von Muhammad Ali und George Foreman zu einer psychedelischen Zirkusmusik verwursten; wie sie von einer Liebesgeschichte zwischen einer Wrestlerin und einem Bibliothekar erzählen; wie sie zu verträumten Blasmusik-Klängen der Express Brass Band von Büroangestellten singen, die beim Geräusch der Klospülung manchmal ans Meer denken müssen; oder von der "Masochistic Time Machine", mit der man reist, wenn sich der Erinnerungsschmerz verpasster Chancen einstellt.
Kurzum: Ein ebenso gewitztes wie poetisches und musikalisch vielschichtiges Album ist den beiden da gelungen. Aufgenommen wurde es übrigens da, wo einst alles begann: im Kafe Kult.
Beißpony , Musik & Diskussion, Sonntag, 26. November, 13 Uhr, Platform-Ateliers, Kistlerhofstr. 70