Pop:Geteiltes Lied

Lesezeit: 2 min

Joy Denalane singt in der Muffathalle ihren Beziehungssoul und präsentiert sich als Sozialarbeiterin der Seele

Von Claus Lochbihler

Als ihr Gitarrist zum großen, epischen Rockgitarren-Solo ausholt, lässt Joy Denalane ihre prächtige Afro-Lockenmähne wie einen Vorhang über das Gesicht fallen. Ihr Kopf und ihre Hände zucken rhythmisch zum Beat von "RotSchwarz". Von Weitem sieht es fast so aus, als wollte die Sängerin über den Song, den sie als Prince-Hommage vorgestellt hat, den Miles Davis machen. Aber dann streift Denalane die Haare wieder aus dem Gesicht, fängt abermals zu singen an, und die kurze Illusion von der abgewandten Sängerin löst sich auf.

Joy Denalane tourt mit ihrem neuen Album "Gleisdreieck". (Foto: Muffatwerk)

Den Rücken zum Publikum - das würde Denalane ohnehin nie machen. Dafür ist sie ihren Fans in der Muffathalle viel zu freundlich zugewandt. Wie eine charmante Sozialarbeiterin der Seele redet sie mit ihnen: warmherzig und einnehmend. Erklärt, dass es sechs Jahre bis zum aktuellen Album "Gleisdreieck" gedauert habe, weil sie zwischenzeitlich ein fertiges Album in die Tonne getreten hat. Ihre Songs - alte und neue - singt Delanane nicht einfach. Sie will sie mit ihrem Publikum, wie sie selber sagt, teilen.

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In vielen der neuen Lieder geht es auffällig oft um Beziehung und das Gleisdreieck der Liebe: um erkaltende Liebe in "Hologramm", um die Last heimlicher Liebe in "Zwischen den Zeilen", um die schwierige Beziehung zur Tochter von Ehemann Max Herre mit einer anderen Frau in "B.I.N.D.A.W", um Eifersucht und Aussöhnung in "Wieder Gut". Beziehungssoul, der musikalisch etwas gleichförmig balladesk daherkommt, auch weil die Refrains nicht immer so hübsch im Ohr hängen bleiben wie bei "Wieder gut". Und live leider die MCs fehlen, die auf dem Album rappend für die Abwechslung sorgen, die manchem neuen Song abgeht.

Sehr viel mehr zünden in der Konzertmitte immer noch die Hits, mit den Denalane 2002 bekannt wurde: Ihr altes "Kinderlied" kombiniert sie mit dem neuen "Vorsichtig sein", wo es über einen sumpfig verschleppten Beat darum geht, wie es sich anfühlt, wenn das kleine Kind aus dem "Kinderlied" auf einmal groß ist und alles will, "nur nicht vorsichtig sein". "Was auch immer" wird zur großen Mitsing-Nummer, danach wird es mit "Ghetto von Soweto" afro-funky, flott und tänzerisch und auch sängerisch am souligsten, weil Denalane auf einmal singt, was sie singen muss. Kein Zweifeln und Grübeln mehr, sondern viel Inbrunst. Ganz leise, ganz intim und doch politisch dann vor den Zugaben noch "Zuhause", nur zur akustischen Gitarre von Philip Niessen gesungen: Ein Song, in dem sich Denalane mit ihrer verstorbenen Mutter über neuen und alten Rassismus im deutschen "Zuhause" austauscht. Und um Rat fragt. Die Mutter blickt einen dazu vom Bühnenhintergrund aus einem Foto heraus an. Eindringlich und schön. Als wollte sie, wie im Song, sagen: "Doch das ist dein Zuhause."

© SZ vom 29.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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