Pop:Ein Kick für die Hüftsteifen

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Elton John und Quintett spielen in der Olympiahalle auf

Von Martin Pfnür

Das Wunder, das diesen Abend in der ausverkauften Olympiahalle am Ende doch noch in einen strahlenden verwandelt, es geschieht nach dem siebzehnten Song. Gerade noch schien die Magie des erst gravitätisch bluesigen, dann im rasenden Anschlag davon schnellenden Sechsminüters "Burn Down the Mission" wie schon jene von "Levon" oder "Have Mercy on the Criminal" am seltsam salzsäulenhaften Publikum abzuprallen, als man sich plötzlich geschlossen zum Applaus erhebt. Und, noch viel wichtiger und anders als nach den vorherigen Stücken in der leider komplett bestuhlten Olympiahalle: Man bleibt endlich auch stehen, um die Songs des routiniert und doch formidabel aufspielenden Meisters und seines Quintetts auch mit der einen oder anderen Tanzbewegung zu würdigen, und damit zumindest halbwegs kongruent zu gehen mit der Energie, die da von der Bühne strömt.

Überpünktlich steigt Elton John um kurz nach halb acht mit verspiegelter Sonnenbrille und im Glitzer-Jäckchen hinter sein Piano, was wiederum zur Folge hat, dass die erhabenen Synthesizer-Fanfaren des prog-rockigen Eröffnungsstücks "Funeral for a Friend / Love Lies Bleeding" für nicht wenige zur Untermalung der Sitzplatzsuche gerät. Mehr Aufmerksamkeit bekommen da schon der selbstironisch betitelte Glam-Stampfer "The Bitch is Back" und "Bennie and the Jets", das die Konzentration des Publikums mit satt rollendem Bass und Johns geschmeidig-fluider Anschlagtechnik erstmals gänzlich einfängt und schließlich in einen ebenso ausufernden wie groovigen Jam mündet.

Überhaupt sind es vor allem Elton Johns Klassiker aus den Siebzigern, die hier den Großteil ausmachen. Zwei Stücke vom neuen Album "Wonderful Crazy Night" - den soliden Boogie-Woogie "Looking up" und die etwas tranige Ballade "A Good Heart" - gibt es zu hören, der Rest setzt sich aus alten Meisterwerken zusammen. Da ist etwa "Rocket Man", das der Brite mit einem Kunststück von einem Solo einleitet, um es dann in Bandformation nuanciert getupft zu Weltraumbildern zum Schweben zu bringen, oder "Tiny Dancer", dessen Falsett-Refrains er, immer noch mit wunderbar raumgreifendem Stimmvolumen gesegnet, seit seiner Stimmband-OP in den späten Achtzigern in ungleich tieferen Lagen vorträgt.

Nachhaltige Stimmung in der Halle kommt dennoch erst auf, als man sich im Parkett zum ansprechend entschmalzten und beschleunigten "Sad Songs (Say So Much)" in Bewegung setzt, und das Konzert mit der Grandezza von "Don't Let the Sun Go Down on Me", dem Drive von "All the Girls Love Alice", dem plötzlich neue Bedeutungen entfaltenden "I'm Still Standing" und vor allem dem Glam-Rock von "Saturday Night's Alright (for Fighting)" noch einmal gewaltig Fahrt aufnimmt.

Dass der 69-Jährige die spät entfesselte Feierstimmung dann mit dem unglücklich platzierten "Candle in the Wind" als Zugabe direkt wieder runter fährt, passt letztlich allerdings wieder ebenso ins Bild dieses bisweilen etwas hüftsteifen Konzertabends wie die langatmige Autogrammaktion vor der Zugabe. Der überdrehte finale "Crocodile Rock" hätte da als runder Abschluss locker gereicht.

© SZ vom 28.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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