Pop:Die Sängerin, die gerne Plankton wäre

Lesezeit: 3 min

Auf dem neuen Album der Österreicherin Clara Luzia kann man die Sehnsucht nach dem Meer als Leitmotiv heraushören. (Foto: Mirjam Unger)

"Here's To Nemesis" heißt das neue Album der in Wien lebenden Clara Luzia, die sich in ihren Songs jetzt auf den Weg zum Rock'n'Roll macht - unterstützt von einer Gitarristin aus München

Von Jürgen Moises

Das letzte Album "We Are Fish" von 2013 fing mit einem Piano-Intro an, mit einem mit Streichern und Klarinette üppig instrumentierten, insgesamt sieben Minuten dauernden Folkpop-Song. Und nun? Singt Clara Luzia drei kurze Worte. Gitarre und Schlagzeug setzen ein. Schon ist man mitten drin in "Cosmic Bruise", dem ersten Song des neuen Albums "Here's To Nemesis". Ganz ohne Schnörkel und langes Trara geht es mit Gitarre, Schlagzeug und nachgezogenem Bass dann in flottem Tempo weiter. Und nach zwei Minuten und vierzig Sekunden, also nach klassischer Popsong-Länge, ist dann genauso plötzlich Schluss. Was die anderen Songs des neuen Albums angeht, das Clara Luzia am Donnerstagabend in der Milla vorstellt: Die werden zum Teil ein bisschen ruhiger. Ein Keyboard ist immer wieder mal zu hören. Aber das rockige Grundgerüst mit Gitarre, Bass und Schlagzeug bleibt.

Ist Clara Luzia also über Nacht zur Rockerin mutiert? Nicht ganz, denn dass sie rocken kann, das hat die Österreicherin schon auf "We Are Fish" und auch schon auf dem Album "Ground Below" von 2009 bewiesen. Da ließ sie immer mal wieder ein verzerrtes Gitarrengewitter losbrechen. Aber da geschah das eher noch als ein Kontrastprogramm. Da war der Gitarrenverzerrer nur eine von mehreren Stimmen, neben Streichern, Akkordeon, Posaune, Horn, Banjo oder Xylofon, mit denen Clara Luzia ihre Songs elegant verzierte. Jetzt auf dem sechsten Studioalbum heißt die Losung also: Rock 'n' Roll. Mit schwingenden Tremolo-Gitarren und Wurlitzer-artigen Keyboard-Sounds, die in Stücken wie "The Drugs Do Work" ein leichtes Sixties-Flair verbreiten und sich auch auf einem Tarantino-Soundtrack ganz gut machen würden.

Tatsächlich hat der Sound-Wandel bei Clara Luzia Maria Humpel, wie die in Wien lebende Musikerin mit bürgerlichem Namen heißt, mit einem Film zu tun. Jedenfalls wenn man "Sinnerman", den von Clara Luzia komponierten Titelsong zu Andreas Prochaskas Alpenwestern "Das finstere Tal", als eine Art Blaupause zum Album begreift. Auch hier schwingen Tremolo-Gitarrensaiten zu Luzias betörendem, leicht brüchigem Gesang. Geschrieben hat sie den Song mit ihrer neuen Schlagzeugerin Catharina Priemer, mit der sie seit 2014 auch verheiratet ist. Und die neben ihrem Einfluss auf das Songwriting möglicherweise auch der Anlass dafür ist, dass Clara Luzia in "Magic" Zeilen wie "I see the light now, I see the glory" singt. Was auffällt, weil man von der Österreicherin sonst eher melancholische Töne gewohnt ist.

Die gibt es auch auf "Here's To Nemesis". Etwa im Song "Shipwreck", bei dem man kurz schlucken muss, weil man Zeilen wie "I wanna be a shipwreck, I wanna be a part oft he billion" automatisch auf aktuelle Flüchtlingsschicksale bezieht. Aber wenn es dann heißt "I wanna be a plankton" und von "the loneliest creature" die Rede ist, erkennt man das Schiffswrack als ein Sinnbild für Melancholie. In "Wounds & Scars" wiederum stellt sich die Sängerin die Frage, wie ihr "zugepflastertes Herz" überhaupt noch zusammen hält. Und wenn sie in "As Long As You Get By", einem der schönsten Songs, die Zeilen "we all come from the sea, and we keep running back" singt, erscheint die Sehnsucht nach dem Meer fast wie ein Leitmotiv. Da passt dann auch die phantastische, im grungigen Gitarrensound daherkommende Coverversion von Lana del Reys "West Coast" gut dazu.

Eine weitere Frau, die man hier erwähnen muss, ist Lina Seybold, Sängerin und Gitarristin der Münchner Noiserock-Band Candelilla. Sie begleitet Clara Luzia als Gast-Gitarristin auf der aktuellen Tour. Kennengelernt haben sich die beiden auf einem gemeinsamen Konzert, und sie sind seitdem gut befreundet. Bei so viel Frauenpower ist man fast versucht, Clara Luzia, die sich mit ihrem eigenen Label Asinella Records schon seit Jahren für andere Musikerinnen einsetzt, als eine Art Kontrastprogramm zu den österreichischen Halbstarken von Wanda, Bilderbuch & Co zu sehen, die seit längerem hier die Hallen und Charts stürmen. Was sie diesen auf jeden Fall voraus hat, ist, dass sie sich seit Jahren immer wieder neu erfindet - und das auf gleichbleibend hohem Niveau. Das hat sie auch auf "Here's To Nemesis" geschafft, und das müssen die anderen erst mal hinkriegen.

Clara Luzia, Do., 17. Dez., 21 Uhr, Milla, Holzstr. 28

© SZ vom 16.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: