Pop:Bluestrunken im Diesseits

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Mit ihrem neuen Projekt "Me + Marie" zeigt die "Ganes"-Sängerin Maria Moling, dass sie auch geerdeten Indierock beherrscht. Im Strom stellt die Band nun ihr Debüt-Album vor

Von Dirk Wagner

Heimat ist überall, wo ich eine Zahnbürste habe", sagt Maria Moling, die Perkussionistin, Schlagzeugerin, Gitarristin und Sängerin der ladinischen Band Ganes. Eine Zahnbürste hat sie auch in München, wo sie mit dem Schweizer Musiker und Journalisten Roland Vögtli lebt. Dessen Muttersprache Vallader ist eine Variante des Ladin, mit welchem Moling aufgewachsen ist. In seinem Solo-Projekt "Cha da Fö" nutzt der Sänger der Rockband Nau diese Minderheiten-Sprache, weswegen er wohl auch zum European Minority Film Festival in Husum eingeladen wurde.

Hier spielten Maria Moling, die schon bei Aufnahmen von Cha da Fö mitgewirkt hatte, und Vögtli erstmals nur zu zweit zusammen. Infolge gründeten sie ihre Band Me + Marie, die nach einigen Konzerten als Duo mittlerweile zum Trio gewachsen ist. Tom Wörndl, mit dem Moling bereits für das Münchner Volkstheater zusammengearbeitet hat, spielt nun bei Me + Marie Gitarre und Orgel.

Ihr überwiegend in Berlin aufgenommenes Debüt-Album "One Eyed Love" nennt aber noch deutlich mehr Mitwirkende. Den in München lebenden britischen Musiker Gurdan Thomas zum Beispiel, der die Band als Muttersprachler in ihren englischen Texten unterstützt. Oder Martin Wenk von Calexico, der dem Song "Where's Your Soul" die Seele auf seiner Trompete förmlich einzuhauchen scheint. Bis hin zu einem Südtiroler Männerchor aus Molings Heimatort Laval und einem Frauenchor aus dem Nachbarort.

Maria Moling und Roland Vögtli leben in München und haben ihr international rockendes Album in Berlin aufgenommen. (Foto: Lorraine Hellwig)

"Natürlich hätten wir auch einen professionellen Chor aus Berlin engagieren können. Aber dem hätte man wahrscheinlich nicht das angehört, was passiert, wenn Leute singen und sich auf was Neues einlassen." Zunächst musste sich aber erst die Kirche in Laval auf das Neue einlassen. In der nahmen Me + Marie des gigantischen Halls wegen die Chöre auf. "Jetzt ist die dortige Kirche aber nicht so locker wie die evangelische Kirche in Darmstadt, in der wir letztens spielten. Darin tranken die Menschen sogar Bier. Das brauchst du in Südtirol niemanden erzählen. Als die dort erfuhren, dass das gar keine geistliche Musik ist, sondern Rockmusik, die wir in der Kirche aufnehmen wollten, mussten wir gleich mehrere Priester davon überzeugen, dass wir nichts Blasphemisches machen", erzählt Maria Moling, die irgendwann auch mal live mit den Chören auftreten will. Für ihre derzeitige Tour wäre das freilich zu aufwendig. Auf dieser spielten Me + Marie gleich viermal auf dem renommierten Reeperbahnfestival in Hamburg. "Für mich als Musikerin fühlte sich das ein bisschen an wie auf so einem Viehmarkt. Du spielst da auf fremdem Equipment, weil der Bühnenumbau schnell gehen muss, und im Publikum stehen lauter Business-Typen und machen sich Notizen", sagt Moling und ergänzt, dass es ihr aber trotzdem Spaß gemacht habe.

Obwohl der Sound von Me + Marie im Gegensatz zur schwebenden Musik von Ganes ein nahezu bluestrunken geerdeter Indierock ist, braucht auch er Raum, um sich zu entfalten. Aberwitzige Rhythmen erfahren hier in einem gleichberechtigten Zusammenspiel aller Instrumente auch mal die gleiche dominierende Funktion einer Leadgitarre. Spätestens aber, wenn die obertonreichen Chöre sich in "Please Forgive Me" aus dem geerdeten Sound erheben, reißt auch diese Musik sämtliche Himmel auf. "Für mich hat die Musik von Ganes und von Me + Marie eine andere Körperlichkeit", versucht Moling den Unterschied ihrer Bands zu beschreiben. Klanglich ist Ganes wesentlich stärker vom Harmoniegesang der drei Cousinen geprägt, der wie ein leichter Morgennebel über den Instrumentierungen schwebt. Manchmal kess aufwirbelnd, Kapriolen schlagend, sich dann wieder gleich zartem Tau auf die filigrane Instrumentierung niederlassend. Das Jenseitige dieser Musik scheint Moling mit Me + Marie indes im Diesseitigen zu verorten.

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Me + Marie, Mittwoch, 12. Oktober, 20.45 Uhr, Strom, Lindwurmstr. 88

© SZ vom 11.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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