Pop:Bahö!

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Das Gegenteil von Gabalier: Flo Ritt, Gabriel Haider und Paul Slaviczek. (Foto: Blanko)

Die Linzer Band "Folkshilfe" im Strom

Von Michael Zirnstein, München

Obwohl beide künstliche Jodler sind, hat der Brunftruf "Hulapalu" von Andreas Gabalier eine ganz andere Aussage als das "Holldriheiho" von der Folkshilfe im Stück "Gemma". Den Unterschied machen für die Linzer Band "die Liebe zum Detail und das Handwerk dahinter", wie Florian Ritt findet. Mit alpiner Volksmusik habe ihr "Holldriheiho" jedenfalls nur entfernt zu tun, so wie seine Ziehharmonika auch hierzulande meist nur als Stubenmusikinstrument wahrgenommen werde, auf Tour in Frankreich oder Italien aber "einfach nur als geile Soundmaschine".

Es sei bei ihnen "eher wie beim Scatten im Jazz", wo man mit Wortwiederholungen eine eigene Ästethik schaffe, so wie sie es ja auch mit "senegalesischen Volksmusikvibes" versuchen. Daraus solle man aber nicht auf eine Nähe der Folkshilfe zu experimentellen Ethno-Gruppen schließen. Eher schon zur Austro-Quetschn-Avantgarde von Attwenger, wenn sie dadaistische Mantras wiederholen wie: "Mir laungt's dass i woas, dass i kunt, wann i mechat." Aber das wäre als Genre schon wieder zu speziell. Radiosender tun sich aber schwer bei der Frage, ob die Folkshilfe nun in ihr Format passt: Zu viel Dialekt? Zu wenig? Zu hipp? Zu uncool? Das ist ein wenig das Dilemma des Trios der Schulfreunde Florian Ritt, Gabriel Haider und Paul Slaviczek, der für den ausgestiegenen Matthias Kaineder gekommen ist. Diese Unbestimmtheit, die die studierten Musiker vor und nach dem Debütalbum "Mit F" selbst beschäftigt hat, haben sie beim Nachfolger "Bahö!" als Stärke erkannt: "Weil wir nun mehr wissen, was wir machen, trauen wir uns mehr, uns aus dem Fenster zu lehnen", sagt Haider.

"Bahö!" ist für die Oberösterreicher das Wort für einen ordentlichen Krawall. Darunter fallen Reggae, Dancehall, Balladen-Pop, Funk, Folk, Daftpunk-Disco und Partykracher, wie immer mit schneidigem Dreigesang, durch Slaviczek auch mit gepfefferten Stromgitarren-Soli, und mit Mordsdruck vom durch einen Moog-Synthesizer gejagten Quetschn-Bassregister: "Mit dem over-the-top-fetten Bass kacken wir auch zu dritt auf einer Festival-Bühne nach einer Rockband nicht ab", sagt Ritter. Die Gefahr besteht gewiss nicht: Mit unheimlichem Groove und ansteckender Sangeslust ("Maria Dolores, die schönste Stimme des Jugendchores") kurbeln sie jede Menge an, beim Gillamoos-Volksfest ebenso wie als Vorband von Hipster-Bands wie Wanda oder Rakede, mit ihren Kumpels La Brass Banda auf Bierzelt-Tournee, vor 4000 Fans auf dem Linzer Domplatz, beim Theatron, auf dem Multikulti-Fest "Anderart" und nun wieder im Indie-Club Strom.

Nur den Wunsch ihres Münchner Verlegers Hage Hein von Blanko Musik, seine universelle Eingreiftruppe werde einmal vor einem Gabalier-Stadionkonzert einmarschieren "und die Leute dort bekehren", werde sie vermutlich nicht erfüllen. "Das ist eine romantische Vorstellung", findet Ritt, "aber damit unterstützt du auch Gabaliers Ideologie." Und dass die Folkshilfe politisch genau gegenteilig gepolt ist, zeigen sie auch in "Gemma" - ihrem Arschtritt für alle, die lieber verharren, als etwas zu bewegen.

Folkshilfe , Freitag, 13. Oktober, 20.30 Uhr, Strom, Lindwurmstr. 88

© SZ vom 12.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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